BGH: Wiederbestellung eines GmbH-Geschäftsführers fällt in Schutzbereich des AGG

Der Schutz der Beschäf­tig­ten vor Benach­tei­li­gung” (Abschnitt 2 des AGG) gilt auch für GmbH-Geschäfts­füh­rer soweit es die Bedin­gun­gen für den Zugang zur Erwerbs­tä­tig­keit … betrifft” 6 AGG). Die Erwerbs­tä­tig­keit” grün­det auf dem Abschluss eines Dienst­ver­trags; dafür ist Vor­aus­set­zung die Bestel­lung als Geschäfts­füh­rer. Soll das AGG nur auf den schuld­recht­li­chen Akt (Dienst­ver­trag) oder bereits auf den kor­po­ra­ti­ven Akt (Bestel­lung) Anwen­dung finden?

Ich bin der der erst­ge­nann­ten Auf­fas­sung. Benach­tei­li­gungs­schutz kommt nur in Betracht, wenn zwar die Bestel­lung erfolgt ist, aber her­nach der Abschluss eines Anstel­lungs­ver­trags wegen einer der Gründe des § 1 AGG ver­wei­gert wird. Die eigent­li­che Ent­schei­dung, wer die Organ­funk­tion als Geschäfts­füh­rer wahr­nimmt, muss bei den Gesell­schaf­tern blei­ben. Schließ­lich ist es ihr Unter­neh­men, des­sen Wohl und Wehe vor allem von die­sem Amt abhängt.

Der BGH sieht es anders. Der für das Gesell­schafts­recht zustän­dige II. Zivil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hat ent­schie­den, dass ein auf eine bestimmte Dauer bestell­ter Geschäfts­füh­rer einer Gesell­schaft mit beschränk­ter Haf­tung, der nach Ablauf sei­nes Ver­tra­ges nicht als Geschäfts­füh­rer wei­ter­be­schäf­tigt wird, in den Schutz­be­reich des All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­set­zes (AGG) fällt. … In dem Beschluss, den Klä­ger nach dem Aus­lau­fen sei­ner Bestel­lung nicht wei­ter als Geschäfts­füh­rer zu beschäf­ti­gen, hat der Senat eine Ent­schei­dung über den Zugang zu dem Amt gese­hen.” (Pres­se­mit­tei­lung v. 23.4.2012; schrift­li­che Urteils­gründe lie­gen noch nicht vor).

Der 62-Jäh­rige hätte also wie­der Geschäfts­füh­rer wer­den müs­sen, der 41-Jäh­rige hätte nicht bestellt wer­den dür­fen. Aber was gilt, wenn der Jün­gere sei­ner­seits auf Dis­kri­mi­nie­rung” klagt, weil ihm der Ältere vor­ge­zo­gen wird? Schon daran sieht man, in was für einen Zir­kel bzw. Zir­kus man gerät. Und wie ist fol­gen­der Fall zu ent­schei­den: Die Gesell­schaft setzt sich – poli­tisch kor­rekt – eine frei­wil­lige Frau­en­quote” für Füh­rungs­po­si­tio­nen. Eine Frau wird bestellt. Der abge­lehnte männ­li­che Kan­di­dat geht zu Gericht und prä­sen­tiert den Quo­ten­plan als Indiz für Benach­tei­li­gung wegen des Geschlechts (§§ 1, 22 AGG). O tem­pora, o mores.

Dazu etwas aus­führ­li­cher auch mein
Bei­trag im Han­dels­blatt-Rechts­blog.

3 Kommentare

  1. Absurde Ent­schei­dung.

    Muss nun jeder Gesell­schaf­ter sagen, warum der den Geschäfts­füh­rer nicht mochte und nicht für ihn gestimmt hat? 

    Was ist in die­sem Zusam­men­hang mit mit­tel­ba­ren Diskriminierungen? 

    Wenn zu den Grün­den nichts gesagt wird, kön­nen sich wie­der Pro­bleme erge­ben: Es kann jedoch nicht aus­ge­schlos­sen wer­den, dass die Ver­wei­ge­rung jedes Zugangs zu Infor­ma­tio­nen durch einen Beklag­ten ein Gesichts­punkt sein kann, der im Rah­men des Nach­wei­ses von Tat­sa­chen, die das Vor­lie­gen einer unmit­tel­ba­ren oder mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung ver­mu­ten las­sen, her­an­zu­zie­hen ist.” (EuGH 12.04.2012 — C‑415/10)

  2. Man sollte erst ein­mal die Urteils­gründe abwar­ten. Vor­her ist die Dis­kus­sion über das Ergeb­nis (Anwend­bar­keit des AGG) erst ein­mal weit­ge­hend luftleer. 

    Auf den Dienst­ver­trag wird man das AGG wohl anwen­den dür­fen. Frei­lich gibt es keine der Geschäfts­füh­rer­stel­lung gleich­wer­tige Tätig­keit — aber kann dar­aus ein Anspruch auf lebens­lange (?) Bestel­lung zum ver­tre­tungs­be­fug­ten Organ bestehen? Bevor man sol­che Impli­ka­tio­nen erör­tert, sollte man erst ein­mal sehen, wel­che Vor­aus­set­zun­gen und Rechts­fol­gen der BGH annimmt — eine Pres­se­mit­tei­lung ist dazu allen­falls bedingt geeignet.

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