Abberufung des Aufsichtsrats ohne Ankündigung in der Tagesordnung

Ges­tern war Mit­glie­der­ver­samm­lung des Ver­eins für Bewe­gungs­spiele Stutt­gart 1893 e.V. Sie dau­erte über 9 Stun­den; ca. 2 500 der ca. 46 000 Mit­glie­der nah­men teil. Die Presse berich­tet: Der Auf­sichts­rats­chef wurde nur müh­sam in sei­nem Amt beim Bun­des­li­gis­ten gehal­ten. 50,7 Pro­zent und damit die Mehr­heit der anwe­sen­den Ver­eins­mit­glie­der stimm­ten der Abwahl Hundts zu, für die laut Sat­zung aber eine Drei­vier­tel­mehr­heit nötig gewe­sen wäre.” Liest man die Tages­ord­nung, so steht da nichts über den Gegen­stand: Abbe­ru­fung eines Mit­glieds des Auf­sichts­rats. Viel­mehr war in der Mit­glie­der­ver­samm­lung ein Antrag gestellt wor­den, diese Abbe­ru­fung auf die Tages­ord­nung zu neh­men, was mehr­heit­lich befür­wor­tet wurde. Zwar bestimmt § 32 Abs. 1 S. 2 BGB, dass zur Gül­tig­keit des Beschlus­ses erfor­der­lich (ist), dass der Gegen­stand bei der Beru­fung bezeich­net wird.” Aber die Vor­schrift ist sat­zungs­dis­po­si­tiv (§ 40 BGB). Hier unter­schei­det sich das Ver­eins­recht deut­lich vom Akti­en­recht (§§ 124 Abs. 4 S. 1, 23 Abs. 5 AktG). Danach sind bei Ver­ei­nen sog. Dring­lich­keits­an­träge aus der Mitte einer Ver­eins­ver­samm­lung nach Sat­zungs­lage zuläs­sig. Es fragt sich frei­lich, ob diese Sat­zungs­ge­stal­tung eine kluge Rege­lung ist und fer­ner, wel­che Gren­zen sie hat. Die Mit­glie­der­ver­samm­lung (MV) kann danach spon­tan ent­schei­den, ob sie sich eines Gegen­stands annimmt. Aber das bedeu­tet gleich­zei­tig, dass die abwe­sen­den Mit­glie­der nicht betei­ligt wer­den. Ein Über­ra­schungs­coup auf einer (gerade wegen ver­meint­lich dürf­ti­ger Tages­ord­nung) schwach besuch­ten MV kann gelingen. 

Im Fall des VfB Stutt­gart war es eine rela­tiv gut besuchte Ver­samm­lung, aber es waren doch nur ca. 5% der Mit­glie­der anwe­send. Und diese sol­len ohne Ankün­di­gung über die Abbe­ru­fung des AR-Vor­sit­zen­den eines Sport­un­ter­neh­mens mit ca. 120 Mil­lio­nen € Umsatz ent­schei­den? Eine Sat­zung, die sol­ches ermög­licht, ist nicht auf der Höhe der wirt­schaft­li­chen Gege­ben­hei­ten. Sie ist es auch nicht von Rechts wegen. Der BGH (NJW 1987, 1811: Ein­tracht Jäger­meis­ter Braun­schweig”) hat ent­schie­den: Die Ver­eins­sat­zung kann es für zuläs­sig erklä­ren, dass Gegen­stände zur Beschluss­fas­sung noch nach Ein­be­ru­fung der Mit­glie­der­ver­samm­lung auf die Tages­ord­nung gesetzt wer­den. Diese müs­sen den Mit­glie­dern aber — jeden­falls wenn es sich um Sat­zungs­än­de­run­gen han­delt — so recht­zei­tig vor dem Zusam­men­tritt der Mit­glie­der­ver­samm­lung mit­ge­teilt wer­den, dass genü­gend Zeit zu einer sach­ge­rech­ten Vor­be­rei­tung bleibt”. Der in § 32 BGB aus­ge­drück­ten Wert­ent­schei­dung müsse ange­mes­sen Rech­nung getra­gen wer­den. Jeden­falls eine Sat­zungs­än­de­rung”: Diese For­mu­lie­rung bedeu­tet, dass es noch wei­tere Gegen­stände von grund­le­gen­der Bedeu­tung gibt, die nicht ohne vor­he­rige Unter­rich­tung aller Mit­glie­der zur Abstim­mung gestellt wer­den dür­fen. Die Abbe­ru­fung eines Auf­sichts­rats­mit­glieds, wel­ches in dem Gre­mium sogar den Vor­sitz führt, gehört dazu. Über den Antrag hätte nicht beschlos­sen wer­den dür­fen, ein Abbe­ru­fungs­be­schluss wäre rechts­wid­rig gewesen.

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