Einer der umstrittensten Punkte in der kommenden Aktionärsrechte-Richtlinie ist das Fragerecht der Aktionäre. In dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission war vorgesehen, dass auch außerhalb (vor) der Hauptversammlung grundsätzlich ein Fragerecht besteht. Dagegen haben sich insbesondere deutsche Unternehmenskreise ausgesprochen. Man befürchtet unkontrollierbare Fragelawinen und hat (zu Unrecht) Sorgen wegen des schneidigen (deutschen) Anfechtungsrechts, das sich an unzureichende Antworten knüpfen könnte. Daher kam aus dem Europäischen Parlament (Lehne) der Kompromissvorschlag eines qualifizierten Fragerechts, geknüpft an eine 1%-Beteiligung. Diesen Vorschlag hat die finnische Ratspräsidentschaft nicht aufgegriffen. Sie hat zuerst das Problem durch Amputation beseitigen wollen: gar keine Regelung eines Fragerechts. Das Wegducken scheint aber auch nicht der richtige Weg zu sein. Die neueste Variante enthält wieder die Festlegung eines Fragerechts mit Antwortpflicht nur in der Hauptversammlung (nach wie vor ohne Regelung der Rechtsfolgen), während die Frageregelung außerhalb der Hauptversammlung den Mitgliedstaaten überlassen bliebe. Damit wäre für Deutschland in der Umsetzung der Richtlinie wohl nichts zu veranlassen. — Die Fixierung der Auskunft auf die Erteilung in einer Versammlung ist allerdings den heutigen Verhältnissen nicht angemessen. Die Erosion der herkömmlichen Hauptversammlung ist in der Sache im vollen Gange; sie hat schon vor über hundert Jahren begonnen, als der Aktionärskreis überregional wurde. Ein (internationales)Börsenunternehmen der heutigen Zeit hat Informationen nach kapitalmarktrechtlichen Regeln an alle Anleger zu erteilen und an anwesende Aktionäre auf Nachfrage in der Hauptversammlung. Ersichtlich klafft hier eine Lücke, die von den Unternehmensleitungen durch Einzelgespräche (one to one) mit für wichtig erachteten Aktionären geschlossen wird. Diese Grauzone zwischen öffentlicher Anlegerinformation und versammlungsgebundener Aktionärsauskunft bliebe nach wie vor regellos.
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