Am gestrigen Samstag hat der Arbeitskreis Kapital in Europa seine Beratungen abgeschlossen. Worum geht es? Um nichts weniger als die Frage, ob eine Kapitalgesellschaft besser ohne ein gesetzlich geregeltes festes Kapital auskommt. Das meinen gewichtige Stimmen aus England (Rickford-Bericht). Die EU-Kommission will die Frage im kommenden Jahr in einer Studie klären lassen, um dann über eine Generalrevision bzw Abschaffung der 2. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie von 1976 (RL) zu befinden.
Die Frage nach dem Kapital betrifft nur am Rande das Mindestkapital, das vor Eintragung der Gesellschaft aufgebracht werden muss (für Aktiengesellschaften nach der 2. RL mindestens 25 000 €). Sie dreht sich um die (weitere) Kapitalaufbringung und vor allem um die Kapitalerhaltung und den nach kontinentaleuropäischer Vorstellung damit verbundenen Gläubigerschutz. Auch Mitgliedschaftsrechte (Stimmrecht, insbesondere Bezugsrecht: § 186 AktG) knüpfen bei uns an das Grundkapital an.
Einige Rechtswissenschaftler und Rechtspolitiker vor allem (aber nicht nur) aus England und den USA sagen dazu: Die Gläubiger interessiert nicht das Grundkapital der Gesellschaft, sondern ob sie ihr Geld bekommen. Das erhalten sie, wenn die Gesellschaft in Zukunft die fälligen Verbindlichkeiten wird erfüllen können. Daher muss ein geprüfter Solvenztest vor einer Ausschüttung an die Anteilseigner ergeben, dass die Schuldentilgung darunter nicht leidet. That‚s it. Und wenn Schindluder mit den Ausschüttungen zu Lasten der Gläubiger getrieben wurde, dann haften die Verantwortlichen. Aber ganz unabhängig von der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft eine für die Anteilseigner unantastbare Vermögensreserve vorzuhalten: das sei doch ein übertriebene Vorsichtsmaßnahme.
Der Arbeitskreis, der im Januar 2004 auf dem ZGR-Symposion ins Leben gerufen wurde, hat sich unter dem Vorsitz von Marcus Lutter (Bonn) in mehreren Sitzungen und im intensiven Austausch mit ausländischen Kollegen (Frankreich, Italien, Niederlande, Polen, Spanien) mit diesen Vorstellungen befasst. Insgesamt ist er zu dem Schluss gelangt, dass ein Systemwechsel (weg vom festen Kapital und einer gewissen Ex-ante-Kontrolle, hin zu einem ‑ausschließlichen- Solvenztest und einer scharfen Ex-post-Haftung der Geschäftsleiter und Gesellschafter) nicht vorgenommen werden sollte.
Die Ergebnisse werden im Frühjahr 2006 in einer deutschen und englischen Fassung publiziert.
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