Da flattert ein Angebot herein, sich an einer besonderen Gesellschaft zu beteiligen. Ihr Zweck ist, einen „Stabilitätsmechanismus” einzurichten, um den Mitgliedern „bei Bedarf Finanzhilfe bereitzustellen” (Erwägungsgrund). Das hört sich nach einer Genossenschaft an, deren Merkmal es ist, die Tätigkeit der Mitglieder und die Befriedigung ihrer Bedürfnisse zu fördern. Aber bei näherem Hinsehen wird schnell klar, dass die „internationale Finanzinstitution” ESM (Art. 1) damit nichts zu tun hat.
Das Stammkapital ist hoch (Art. 8 I: 700 Mrd. €), die Zeichnung durch das hiesige Mitglied auch (Art. 11 und Anhang: 190 Mrd.), davon sind zunächst 22 Mrd. einzuzahlen, der Rest ist „jederzeit” abrufbar gestellt (Art. 9). Wer ruft ab? Es ist der Gouverneursrat. Jedes Mitglied ernennt einen „Gouverneur” (Finanzminister), zusammen bilden sie einen Rat (Art. 5), der wiederum ein Direktorium (= Vorstand) bestimmt (Art. 6). Eine Mitgliederbeteiligung (~ Hauptversammlung) gibt es nicht. Was es auch nicht gibt ist eine gerichtliche Verantwortlichkeit der Gouverneure und Direktoren; sie genießen „Immunität von der Gerichtsbarkeit hinsichtlich ihrer in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen” (Art. 35 I). Die externen Prüfer werden mit Zustimmung des Gouverneursrats bestellt (Art. 29), der auch die Mitglieder des Prüfungsausschusses ernennt (Art. 30). Eine allgemeine Publizität der Rechnungslegung ist ebenso wenig wie eine Finanzaufsicht vorgesehen.
Das Stammkapital kann verändert werden. Das beschließt in der Aktiengesellschaft die Hauptversammlung; die Aktionäre können, aber sie müssen sich daran nicht beteiligen. Die Begrenzung auf die zugesagte Einlage nach § 54 I AktG wird geradezu als „Magna Charta” des Aktionärs bezeichnet. In der Personengesellschaft gilt § 707 BGB, wonach der Gesellschafter zur Erhöhung des vereinbarten Beitrags nicht verpflichtet ist. Ganz anders bei dem ESM. Hier erhöht der Gouverneursrat durch einstimmigen Beschluss – und die Mitglieder müssen zahlen (Art. 10 I). Wie weit der Vorbehalt trägt, dass der Beschluss erst in Kraft tritt, nachdem „die ESM-Mitglieder den Abschluss ihrer jeweiligen nationalen Verfahren notifiziert haben” ist ungewiss. Da liegt der Knackpunkt binnenstaatlich (Zustimmungsgesetz?), auch politisch.
Würden Sie sich an einer Gesellschaft beteiligen,
deren Verwaltung immun ist,
ein unbegrenzter Nachschuss droht,
das Mitglied zwar vertreten wird, aber kaum auf seinen Vertreter einwirken kann
die Rechnungslegung dürftig ist?
S. auch FAZ v. 15.5.2012: Gesellschaft mit unbeschränkter Haftung — Staatlich geförderte Insolvenzverschleppung: Risiken und Nebenwirkungen des ESM-Vertrages
Vielen Dank fuer den Kommentar! Da kann man eigentlich nur hoffen das Ihr Blog auch im Bundestag gelesen wird, bevor sich die Damen und Herren dort entscheiden.
Es geht hier um finanzielle Verpflichtungen die Generationen von Steuerzahlern betreffen werden.
Die oeffentlich Debate darueber schein mit mehr als duerftig, bis nicht vorhanden, zu sein.
Danke für diesen Blog-Beitrag. (Leider) sehr erhellend.
Na, immerhin war der Beitrag der F.A.Z. einen Hinweis wert, am 6.6.12, auf Seite 19 (Rubrik „Verkündet”: „Warnung vor dem ESM”).
Herr Prof. Noack, bitte tun Sie Ihrem Land einen Gefallen und bemuehen Sie sich, von der Politik mit diesem sehr treffenden Kommentar noch rechtzeitig gehoert zu werden.