Das Bundesministerium der Justiz hat heute den Referentenentwurf (Text und Begründung) eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) veröffentlicht.
Dazu mein Beitrag in der heutigen FAZ, S. 23 (extended version):
Die GmbH entstand 1892 aufgrund einer Initiative der Berliner Kaufmannschaft ohne historisches Vorbild. Gefragt war eine flexible Rechtsform für den Zusammenschluss weniger Partner. Die damals neue Rechtsform für den Mittelstand war bald ein Exportschlager; zahlreiche Länder haben sie übernommen. Doch unser Modell ist in die Jahre gekommen; auf dem EU-Binnenmarkt konkurriert die englische Limited. Jetzt steht eine Modellpflege ins Haus. Die vom Bundesjustizministerium jetzt vorgestellte Reform des GmbH-Gesetzes ist zwar keine an Haupt und Gliedern, dennoch wird sie den Rechtsträger verändern. Im Gegensatz zu den Aktienrechtsreformen der letzten Jahre geht es um ein Massenphänomen. Während es nur 16 000 Aktiengesellschaften gibt, sind ca. 1 000 000 Unternehmen als GmbH verfasst. Und es sollen noch mehr werden, denn die Reform will ein „deutliches Signal an Unternehmensgründer“ (Zypries) senden.
Die Errichtung der GmbH wird einfacher. Das Stammkapital muss statt heute 25 000 € nur noch 10 000 € betragen; es reicht aus, zunächst 5 000 € auf das Gesellschaftskonto einzuzahlen. Das gilt auch für die Gründung durch eine einzelne Person. Sollte der Gegenstand des Unternehmens der staatlichen Genehmigung bedürfen, genügt zunächst die Versicherung, dass diese Genehmigung beantragt wurde. Eine Regelung, die als Folge einer verdeckten Sacheinlage nicht die zu harte Nochmalzahlung, sondern den befreienden Beweis der Werthaltigkeit vorsieht, ist leider nicht vorgesehen.
Der Einsatzort der GmbH wird weltweit sein. Denn die Regelung des § 4a Abs. 2 GmbHG, dass sich der Sitz der Gesellschaft an dem Betriebsort zu orientieren habe, wird gestrichen — auch für die Aktiengesellschaft (§ 5 AktG). Die beiden Kapitalgesellschaften können dann ausschließlich im Ausland tätig sein. In der EU ist für ihre Anerkennung durch den EuGH gesorgt. Freilich müssen die Gesellschaften zur Eintragung im Handelsregister einen inländischen Sitz und eine inländische Geschäftsanschrift angeben; dort können Zustellungen erfolgen. Die Mobilitätserleichterung wird also nicht dazu führen, dass sich die Firmen aus dem Staub machen.
An diesem Beispiel wird die Anlage der Reform deutlich. Sie will einerseits Gründung und Betrieb der GmbH erleichtern, andererseits die Verantwortlichkeit der Handelnden klarstellen. Dazu gehören in erster Linie die Geschäftsführer. Bislang besteht nur eine gesetzliche Haftung für Zahlungen ab eingetretener Zahlungsunfähigkeit. Künftig werden GmbH-Geschäftsführer und AG-Vorstände persönlich in die Pflicht genommen, wenn sie die Zahlungsunfähigkeit durch Leistungen aus dem Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter erst herbeiführen. Ein existenzvernichtender Eingriff löst Haftungsfolgen aus, was eine gesetzliche Bestätigung der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist. Freilich setzt der BGH bei dem herrschenden Gesellschafter an. Diese Frage der Haftung des GmbH-Gesellschafters wird durch die Reform nicht geregelt, sondern bleibt weiter der Rechtsprechung überlassen. Und unverändert gilt: „Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gläubigern derselben nur das Gesellschaftsvermögen“ (§ 13 GmbHG). Der Verzicht auf einen allgemeinen Haftungstatbestand, der als Ausnahme von dieser Regel gelten könnte, ist verständlich, käme er doch der Quadratur des Kreises gleich. Indessen sollte die Geltendmachung von vorhandenen Haftungsansprüchen auch durch Gläubiger erleichtert und die Verantwortlichkeit der Gesellschafter in der Insolvenzkrise festgelegt werden. Der Gutachter des Deutschen Juristentages (DJT), Ulrich Haas, hat dazu dezidierte Vorschläge präsentiert. Laut Justizministerium wird die Herbsttagung des DJT für die Weiterentwicklung des Referenten- zu einem Regierungsentwurf abgewartet.
Für einen praktisch wichtigen Sachverhalt stehen auch die Gesellschafter in der Pflicht. Sie werden im Fall der Führungslosigkeit der Gesellschaft verpflichtet, bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung einen Insolvenzantrag zustellen. Das von einigen schwarzen Schafen geübte Abberufen der bislang allein verantwortlichen Geschäftsführer wird nichts mehr nützen. Die Rechtsfolge bei Verletzung der neuen Gesellschafterpflicht ist – wie für Geschäftsführer heute schon — die direkte persönliche Haftung gegenüber allen Gläubigern, die es nach Eintritt des Insolvenzgrundes mit der Gesellschaft zu tun bekamen.
Die Finanzierung der GmbH wird einfacher strukturiert. Eigenkapital ist, was die Gesellschafter bei Gründung oder Kapitalerhöhung gewollt als solches aufbringen. Andere Finanzierungen werden nicht mehr zu Eigenkapital umqualifiziert („Wasser in Wein“). Gesellschafterdarlehen sollen nicht länger unter in der Praxis oft schwer feststellbaren Umständen „kapitalersetzend“ sein. Daher werden die 1980 eingeführten §§ 32a/b GmbHG wieder aufgehoben. Auch die seither vom BGH parallel dazu praktizierte Anwendung der Kapitalerhaltungsvorschriften auf Gesellschafterkredite soll es nicht länger geben. Berichtigende Worte des Gesetzgebers – hier werden in der Tat ganze Bibliotheken zu Makulatur. Darlehen aus Gesellschafterhand unterliegen in Zukunft einem insolvenzrechtlichen Regime. Das geltende Insolvenzrecht sieht schon die Nachrangigkeit von bestimmten Krisenkrediten vor; die Neuregelung erweitert diesen Nachrang auf alle Darlehen, die von Gesellschaftern ausgereicht werden, die mit mindestens 10 Prozent beteiligt sind. Binnen Jahresfrist vor der Insolvenz zurückgezahlte Kredite dieser Art können zurückgefordert werden. Mit dieser Nachrang- und Anfechtungslösung wird eine klare und jedermann vermittelbare Regelung vorgeschlagen, die das hypertrophe Eigenkapitalersatzrecht ablösen soll. Die rechtsformneutral konzipierte Neuordnung in der Insolvenzordnung verspricht zudem, auch EU-ausländische Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland zu erfassen.
Einige Änderungen sind für die GmbH-Beteiligung vorgesehen. Eingeführt wird nach dem Vorbild des Namensaktienregisters eine verbindliche Gesellschafterliste, die beim Handelsregister abrufbar sein wird. Sie ist Basis für den neu einzuführenden Erwerb eines Geschäftsanteils vom Nichtberechtigten. Vorbild ist das Grundbuch: bei eigener Redlichkeit kann man sich auf die Eintragungen dort verlassen. Da die Gesellschafterliste nicht von einer amtlichen Stelle geführt wird, ist zur Sicherung des wahren Berechtigten vorgesehen, dass die Eintragung drei Jahre lang widerspruchslos hingenommen worden ist. Ferner wird nicht länger untersagt, bei Gründung mehrere Stammeinlagen zu übernehmen. Die GmbH-Beteiligung wird also flexibler und mobiler, was durchaus Auswirkungen auf das Leitbild der GmbH haben könnte. Dem Wunsch mancher Konzernpraktiker, das „Umhängen“ von Beteiligungen möge ohne notarielle Beurkundung vonstatten gehen, entspricht der Reformentwurf allerdings nicht.
Der Reformentwurf mag dem einen zu wenig, dem anderen schon zu viel Modernität enthalten. Eine fast ideologische Fixierung auf die reine Stammkapitalziffer verengt die Perspektive ohne Not. Eine „GmbH light“, wie von manchen befürchtet, wird nicht vorgeschlagen, ebenso wenig eine „Basisgesellschaft mbH“. Der Raum für die Diskussion radikaler Alternativen bleibt frei: Soll es eine neue Rechtsform neben der GmbH geben? Oder könnte die GmbH gar abgeschafft werden zugunsten eines Einheitsmodells der Kapitalgesellschaft, das intern zwischen geschlossener und kapitalmarktoffener Struktur unterscheidet?
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