Wie geht es eigentlich der Aktionärsrechte-Richtlinie?

Die schnelle Ant­wort lau­tet: sehr gut, sie ist seit 2007 in Kraft und 2009 mit dem ARUG umge­setzt wor­den. Doch die Frage zielt heute auf die Erwei­te­rung die­ser Richt­li­nie im Hin­blick auf die För­de­rung der lang­fris­ti­gen Ein­be­zie­hung der Aktio­näre” — so der Titel des Vor­schlags der EU-Kom­mis­sion vom April 2014. Das ist schon über zwei Jahre her. Das Euro­päi­sche Par­la­ment hat in der 1. Lesung im Juli 2015 erheb­li­che Ände­rungs­vor­stel­lun­gen geäu­ßert; vor allem hat das EP einen neuen Arti­kel ein­ge­baut über Offen­le­gungs­pflich­ten der Unter­neh­men zum Ergeb­nis vor Steu­ern auf­ge­schlüs­selt nach Mit­glied­staa­ten (sog. Coun­try-by-Coun­try Repor­ting, CBCR). Das hat mit den Aktio­närs­rech­ten nichts zu tun, inso­fern ist diese Richt­li­nie ersicht­lich die fal­sche Adresse. Aber poli­tisch ist ein star­ker Wille vor­han­den, diese län­der­spe­zi­fi­sche Steu­er­be­richt­erstat­tung umzusetzen. 

Seit Herbst 2015 läuft nun ein infor­mel­ler Tri­log zwi­schen Ver­tre­tern des Rates, der Kom­mis­sion und des EP. Ins­be­son­dere unter der nie­der­län­di­schen Rats­prä­si­dent­schaft seit Jah­res­be­ginn haben die nicht­öf­fent­li­chen Ver­hand­lun­gen einige Fort­schritte gemacht. Diese bezie­hen sich auf die tech­ni­sche” Ebene ein­zel­ner For­mu­lie­run­gen, wäh­rend die poli­ti­sche” Ebene der Grund­fra­gen noch nicht bewäl­tigt wurde. Zu ihr gehört an vor­ders­ter Stelle die CBCR-Pro­ble­ma­tik, die vor einem Monat eine neue Wen­dung erfah­ren hat. Die Kom­mis­sion hat 12.4.2016 einen eige­nen Vor­schlag zur Ände­rung der Rech­nungs­le­gungs­richt­li­nie (Richt­li­nie 2013/34/EU) im Hin­blick auf die Offen­le­gung von Ertrags­steu­er­in­for­ma­tio­nen” vor­ge­legt. Was das EP will, ist also als auf den Weg gebracht. Jetzt müss­ten sich die Betei­lig­ten nur noch eini­gen, wie die Pro­ze­dur abläuft. Zieht das EP mit Blick auf die Aktio­närs­rechte-RL zurück, weil die Kom­mis­sion sepa­rat aktiv wurde? Oder war­tet man erst ein­mal ab, ob der CBCR-RL-Vor­schlag ankommt? Dann dürfte in die­sem Jahr nicht mehr viel passieren. 

Inhalt­lich sei bemerkt: Die Aktio­närs­rech­te­richt­li­nie 2.0 soll die Iden­ti­fi­ka­tion der Aktio­näre auf Ver­lan­gen der Gesell­schaft ermög­li­chen, indem die Finanz­in­ter­me­diäre (~ Ban­ken) zur Offen­le­gung der Depots ver­pflich­tet wer­den. Diese Finanz­in­ter­me­diäre haben Infor­ma­tio­nen wei­ter­zu­lei­ten und die Aus­übung des Stimm­rechts zu ermög­li­chen. Damit schafft die Erwei­te­rung der Richt­li­nie das Fun­da­ment, um im Sys­tem kon­ten­ver­buch­ter Aktien grenz­über­schrei­tend an die wah­ren” Aktio­näre her­an­zu­kom­men. Für Deutsch­land wäre die Offen­le­gung der Depots mit Inha­ber­ak­tien eine Novi­tät, wäh­rend das Übrige mit Blick auf die §§ 125, 128, 135 AktG kaum Anpas­sungs­be­darf erzeu­gen dürfte. 

Die eigent­li­che Neue­rung besteht in der Kom­pe­tenz­zu­wei­sung an die Aktio­näre, über die Vor­stands­ver­gü­tung und über bestimmte Unter­neh­mens­ge­schäfte zu ent­schei­den. Für das deut­sche Akti­en­recht, wel­ches in der Trias Vor­stand-Auf­sichts­rat-Haupt­ver­samm­lung eine andere Zustän­dig­keits­ver­tei­lung kennt, bedeu­tete dies eine wesent­li­che Zäsur. Aller­dings läuft es wohl auf ein Wahl­recht der Mit­glied­staa­ten hin­aus, so dass Deutsch­land am eige­nen Sys­tem, ins­be­son­dere an der Zuwei­sung an den (mit­be­stimm­ten) Auf­sichts­rat, fest­hal­ten wird können. 

Eine zweite Grund­li­nie der Aktio­närs­richt­li­nie 2.0 ist, dass sie nicht nur Aktio­näre und Organ­mit­glie­der, son­dern auch Dritte ergreift, die mit der Kor­po­ra­tion in Ver­bin­dung ste­hen. Bei der Inpflicht­nahme der Finanz­in­ter­me­diäre ist das evi­dent, und so liegt es auch bei den Stimm­rechts­be­ra­tern und den Ver­mö­gens­ver­wal­tern. Diese Per­so­nen sind neu­er­dings Adres­sa­ten der Regu­lie­rung, der offen­bar ein weit­ge­fass­tes Cor­po­rate-Gover­nance-Ver­ständ­nis zugrunde liegt. 

(Text erschie­nen im Han­dels­blatt-Rechts­board v. 13.5.2016).

3 Kommentare

  1. Lie­ber Herr Pro­fes­sor Noack,

    nach mei­nem Kennt­nis­stand unter­schei­den sich die vom EP in die Aktio­närs­rech­te­richt­li­nie erpress­ten” Rege­lun­gen zum coun­try by coun­try repor­ting in eini­gen Punkte deut­lich von den Rege­lun­gen, die die Kom­mis­sion mit dem Ent­wurf der RiLi vom 12.4.2016 nun vor­ge­schla­gen hat. So bei­spiels­weise bei der Frage, wel­che Unter­neh­men erfasst sind (EP für deut­lich wei­ter­ge­hen­den Anwen­dungs­be­rich als Kom­mis­sion) und ob die Offen­le­gung gegen­über den Finanz­be­hör­den zu erfol­gen hat (EP-Posi­tion) oder im Jah­res­be­richt der Unter­neh­men (so Kommission). 

    Wel­che Kon­se­quen­zen dies nun für den wei­te­ren Fort­gang der bei­den Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren hat, wis­sen — so mein Ein­druck — noch nicht ein­mal die betrof­fe­nen Poli­ti­ker vor Ort. 

    Gruß
    Andrea zur Nieden

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