Die Bundesregierung hat heute nach einer BMJ-Mitteilung „eine Änderung der Insolvenzordnung beschlossen, mit der der Überschuldungsbegriff angepasst wird” Danach sollen „Unternehmen, die voraussichtlich in der Lage sind, mittelfristig ihre Zahlungen zu leisten, auch dann nicht den Gang zum Insolvenzrichter antreten müssen, wenn eine vorübergehende bilanzielle Unterdeckung vorliegt. Mit dieser Regelung wird gerade in Krisenzeiten an sich gesunden Unternehmen der Weg zu einer Sanierung geebnet.”
Ministerin Zypries wird von ihrer Pressestelle mit einem Beispiel zitiert: „Damit helfen wir auch einem mittelständischen Handwerksbetrieb in der Rechtsform einer GmbH, der vielleicht im Moment formal überschuldet ist, aber den Zuschlag für einen Großauftrag bekommen hat. Nach geltendem Recht müsste er binnen drei Wochen Insolvenzantrag stellen, obwohl schon heute feststeht, dass nach Abwicklung des Großauftrages nur wenige Wochen später die Überschuldung entfällt „.
Update (14.10.): Offenbar soll zu dem alten Überschuldungsbegriff der Konkursordnung zurückgekehrt werden. Nach der dafür gegebenen Begründung reicht diese Änderung über die aktuelle Krise hinaus.
Bei einer Kreditklemme und dem Ausfall eigener Schuldner dürfte wohl eher die Zahlungsunfähigkeit den praktisch wesentlichen Insolvenzgrund bilden (übrigens auch in normalen Zeiten). Hier sind allerdings keine Änderungen geplant; s. Art. 5 FMStG-Entwurf.
Historisches Vorbild („das Wasser bis zum Hals”): das Elbehochwasser 2002 und die Unterbrechung der Insolvenzantragsfristen für Flutopfer bis 31. März 2003 (dazu Seibert ZIP 2003, 91).
Doch, der Gesetzestext ist hier:
Artikel 5
Änderung der Insolvenzordnung
§ 19 Abs. 2 der Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2866), zuletzt geändert durch Artikel 9 des Gesetzes vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2840), wird wie folgt gefasst:
„Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.“
Hier nun der endgültige inzwischen von Bundestag und Bundesrat beschlossene Fassung des § 19 Abs. 2 InsO:
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§ 19 Abs. 2 der Insolvenzordnung, zuletzt geändert durch Artikel 5 dieses Gesetzes, wird wie folgt gefasst:
„Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Bei der Bewertung des Vermögens des Schuldners ist jedoch die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist.“
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http://dip21.bundestag.de/dip21/brd/2008/0750 – 08.pdf
Dort Seite 8.
Und hier die Zustimmung des Bundesrates:
http://dip21.bundestag.de/dip21/brd/2008/0750 – 08B.pdf
Eine kleine Korrektur. Die oben zitierte Fassung ist die ab dem 1. Januar 2011 geltende. In der Zwischenzeit gilt der Wortlaut, den Kuchentester zitiert hatte.
Vgl. Art. 7 Abs. 2 des ansonsten morgen in Kraft tretenden Gesetzes.
http://www.bgblportal.de/BGBL/bgbl1f/bgbl108s1982.pdf
Im Übrigen finde ich vor dem Hintergrund der letzjährigen Diskussion um die Golden Shares bzw. „One Share one Vote” auch den Artikel 2 § 5 (Ausgestaltung der Aktien) des FMStG interessant.
@ Hendryk Schlitt
Klarer ausgedrückt: Die jetzige Änderung des § 19 II InsO — Rückkkehr zum zweistufigen Überschuldungsbegriff — gilt nur etwa 2 Jahre lang bis Ende 2010, danach gilt wieder die bis vor einer Woche geltende Regelung.