„Die Art. 43 EG und 48 EG sind beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts dahin auszulegen, dass sie Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, die es einer nach dem nationalen Recht dieses Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaft verwehren, ihren Sitz in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen und dabei ihre Eigenschaft als Gesellschaft des nationalen Rechts des Mitgliedstaats, nach dessen Recht sie gegründet wurde, zu behalten.” Leitsatz 4
So entschied der EuGH am 16.12.2008 in der Rechtssache „Cartesio” – die Erwartung war anders. Cartesio wurde 2004 als Kommanditgesellschaft ungarischen Rechts gegründet. 2005 stellte sie beim ungarischen Handelsregistergericht den Antrag, die „Verlegung ihres Sitzes” nach Gallarate (Italien) zu bestätigen und die Sitzangabe im Handelsregister zu ändern (EuGH-Urteil Rn. 23). Diese Sitzverlegung von „drinnen” (EU-Staat Ungarn) nach „draußen” (EU-Staat Italien) bei Beibehaltung der ursprünglichen Rechtsform soll es nach der EuGH-Entscheidung freilich nicht geben, genauer: der Wegzugsstaat ist frei darin, in seinem Recht zu bestimmen, dass die Sitzverlegung nicht möglich ist (sondern etwa zur Auflösung führt). Der Gerichtshof bestätigt damit seine vor zwanzig Jahren in der „Daily Mail”-Sache ergangene Rechtsprechung.
Anders ist die Verlegung des Verwaltungssitzes
von draußen nach drinnen zu beurteilen: sie ist von dem aufnehmenden EU-Staat auf Grund der Niederlassungsfreiheit zu akzeptieren, jedenfalls ist diese Gesellschaft im Aufnahmestaat rechts- und parteifähig (s. insbesondere die Überseering-Entscheidung 2002).
Der Befund des Urteils, dass es keine freie Registerwahl gibt, dürfte die Diskussion um die Schaffung einer Sitzverlegungs-Richtlinie wieder entfachen. Ferner könnte der Vorschlag einer EPG (SPE) an Bedeutung gewinnen. Denn das oft zu hörende Gegenargument, man brauche angesichts der Niederlassungsfreiheit keine derartige neue europäische Rechtsform, ist mit „Cartesio” weithin entkräftet.
Das update (19.12.) hat aus „Registersitzverlegung” die bloße „Sitzverlegung” gemacht. Man kann den in Rn. 23 mitgeteilten Antrag auf Sitzänderung auch als auf den „Verwaltungssitz” gerichtet interpretieren (so Kindler Status Recht 2009, 10 – demnächst). Die Kontroverse, welcher Sitz gemeint sein mag, will dieser Beitrag nicht aufgreifen, daher die neutrale Formulierung (s. auch EuGH-Urteil Rn. 111 mit der Variante der nicht rechtsformwahrenden Sitzverlegung).
Schreiben Sie einen Kommentar