Die Schaffung eines digitalen Binnenmarktes ist ein Schwerpunkt der Arbeit der EU-Kommission. Die Informal Company Law Expert Group (Fachleute zur Unterstützung der EU-Kommission) hat jüngst über Fragen der Digitalisierung des Gesellschaftsrechts beraten. Denn die Kommission will insoweit auch das Gesellschaftsrecht überarbeiten: „Adapting the company law acquis to digital tools is another issue that should be addressed at EU level.” (Arbeitspapier Mai 2015, S. 77). Neben der Gründungserleichterung durch Online-Registrierung (Arbeitspapier S. 74 ff) gehört auch die Abhaltung eines Gesellschaftertreffens auf den Prüfstand. Traditionell sehen die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten eine Präsenzversammlung vor; auch die Bestimmungen in der Aktionärsrechte-Richtlinie und in der SE-Verordnung dürfte man so zu verstehen haben. Diese Versammlung kann durch Fernabstimmung („Briefwahl”) und durch Online-Übertragung bzw. –Teilnahme aufgelockert werden. Aber es bleibt dabei: Die physische Zusammenkunft ist der Kern, darum herum kreisen die „digital tools”. Warum nicht umgekehrt?
In funktionaler Sicht geht es um eine Entscheidung der Aktionäre, die auf informierter Basis nach gehöriger Kommunikation getroffen wird. Das ließe sich mit den „digital tools” gut darstellen. Information und Kommunikation über strukturierte Internetforen der Gesellschaft, die Entscheidung durch elektronische Stimmabgabe. Nach diesem Paradigmenwechsel wäre die (nicht auf einen Tag fixierte) „Hauptversammlung” ein fair gestalteter digitaler Prozess, dem sich additiv und fakultativ ein Präsenztreffen beigesellen mag. Wer den digitalen Binnenmarkt propagiert, sollte es den dort agierenden Gesellschaften ermöglichen, sich vom „Modell Landsgemeinde” zu lösen (Hofstetter ZGR 2008, 560) und ein grenzüberschreitend praktikables Verfahren der Aktionärspartizipation anzuwenden.
Siehe im parallelen Blogeintrag eine Stellungnahme, welche die oben skizzierten Erwägungen ausführlicher entwickelt.
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