151. Diese Zahl von „börsennotierten und voll mitbestimmten Unternehmen, für die aktuell die feste Quote von 30 Prozent für alle Neubesetzungen im Aufsichtsrat gilt” nennt eine Übersicht des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Das ist zu einem Drittel falsch. Es sind ca. 100 Unternehmen, keine 151, die von der Geschlechterquote des § 96 II AktG betroffen sind. Denn das Mitbestimmungsgesetz gilt, wenn Unternehmen „in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigen” (§ 1 I Nr. 1 MitbestG). Nach den Daten des Ministeriums, welche der Übersicht zugrunde liegen, erreichen zahlreiche der dort genannten Unternehmen diese Schwelle nicht (s. Excel-Tabelle am Seitenende der Übersicht; dort sind allerdings auch nur Zahlen der Konzernspitze angegeben). Also gilt für sie kein MitbestG und daher — entgegen dem Ministerium — auch nicht die feste Quote.
Wie kann es zu solchen Fehlangaben auf einer offiziellen Ministeriumsseite kommen? Eine Erklärung liegt darin, dass offenbar pauschal Arbeitnehmer ausländischer Tochtergesellschaften mitgezählt wurden – freilich ohne dies im Datenblatt offenzulegen, dem Umfang nach zu erläutern (EU? Welt?), geschweige zu begründen. Das sei eben die „Methodik des Bundesanzeigers”, wird etwas verlegen die Ministerin zitiert (FAZ v. 8.7.2016, S. 19), die sich auf „jüngere Tendenzen in der Rechtsprechung” stütze. Der Plural („Tendenzen”) ist nicht angebracht. Gemeint ist ein nicht rechtskräftiges Urteil des LG Frankfurt a.M. v. 16.2.2015, das in der Berufungsinstanz anhängig ist; das OLG Frankfurt a.M. hat mit Beschluss v. 17.6.2016 jetzt das Verfahren ausgesetzt, bis die EuGH-Entscheidung zum Wahlrecht ausländischer (Konzern-)Arbeitnehmer vorliegt (KG v. 16.10.2015); dazu Seibt DB 2016, 1743. Derzeit kann man die Rechtslage für das aktive und passive Wahlrecht als offen bezeichnen, aber nicht ernsthaft für das Erreichen des Schwellenwerts der Mitbestimmung. Hier gibt es nicht mehr als ein einzelnes, nicht rechtskräftiges Urteil eines Landgerichts. Darauf die Ministerialveröffentlichung über ein angeblich 50% weiteres Anwendungsfeld der Quote zu stützen, muss als politischer Akt gesehen werden, nicht als seriöse Aufklärung über die Rechtslage.
Die betroffenen nicht voll mitbestimmungspflichtigen Unternehmen sehen sich dadurch zu Unrecht bloßgestellt. Sie entsprechen dem Gesetz, aber das ist der Ministerin nicht genug: „Quote durch Pranger” (Seibt FAZ v. 27.7.2016 S. 16, der noch darauf hinweist, dass sowieso erst ein Statusverfahren nach § 98 AktG durchlaufen werden müsste).
Die „wundersame“ Vermehrung der angeblich von der fixen Frauenquote betroffenen Unternehmen von 100 auf 151 hatte eine ganze Reihe von Ursachen. Neben der höchst fraglichen Einrechnung von Aktiengesellschaften und KGaA, die allein wegen ihrer Auslandsbeschäftigten mehr als 2.000 Arbeitnehmer aufweisen, flossen z.B. auch SEs mit ein, die sich den „Einfrierungseffekt“ bei der Mitbestimmung zu Nutze gemacht hatten. Auch nicht-börsennotierte AGen, welche lediglich Schuldtitel am regulierten Markt haben (z.B. die „EWE AG“ oder „Landesbank Berlin AG“), erhöhen die Zahl unberechtigterweise.
Dazu im August auch der Beitrag Bayer/Hoffmann „Quotenwirrwarr“ – Zur ersten Zwischenbilanz des „Quotengesetzes“ (FührposGleichberG)“ in der Zeitschrift „Die Aktiengesellschaft“ (siehe vorab bereits auch: Handelsblatt v. 20.7.2016, S. 8: „Wirrwarr um die Frauenquote“).
T.Hoffmann
Interessanter Artikel. Ich bin hier auf diesen Beitrag gestossen, weil ich über Verstöße gegen das Gleichberechtigungsgesetz am Arbeitsplatz recherchiere.