Eine gesetzliche Geschlechterquote für Aufsichtsräte und Vorstände ist durch die Bundeskanzlerin zunächst unterbunden worden; vielmehr soll es eine „Selbstverpflichtung der Unternehmen” geben, den Anteil von Frauen in Führungspositionen signifikant zu steigern. Die Frauenquote per Gesetz wäre rechtspolitisch verfehlt und verfassungswidrig. Der Staat kann nicht vorgeben, wie die Leitung privater Unternehmen zu besetzen ist. Das ist für Personengesellschaften ganz selbstverständlich, aber nichts anderes gilt für Kapitalgesellschaften. Insoweit kann es keine sachlich begründete Unterscheidung zwischen GmbH und Aktiengesellschaft geben, und für letztere auch keine mit Blick auf die Börsennotiz. Börsennotierte Gesellschaften unterliegen zwar etlichen Zusatzanforderungen (Publizität, Transparenz), die sich aus der Inanspruchnahme eines öffentlichen Kapitalmarkts ergeben. Aber die Besetzung des Führungspersonals nach gesellschaftspolitischen Vorstellungen hat damit ersichtlich nichts zu tun. Will der Staat auf diesem Felde mitreden, muss er Anteilsinhaber werden (etwa: Niedersachsen bei VW oder der Bund bei der Deutschen Telekom, der Commerzbank oder der Hypo Real Estate) und kann sein Stimmrecht dafür einsetzen. In gewissen Grenzen kann der Staat auch Vorgaben machen, wer nicht in die Geschäftsleitung gelangen darf (z.B. Insolvenzstraftäter, s. § 76 Abs. 3 AktG) oder persönliche Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder aufstellen (§ 100 AktG). Die Arbeitnehmerquote (~ Mitbestimmung) ist ein Sonderfall, der immerhin schon das BVerfG beschäftigt hat.
Zur „Selbstverpflichtung der Unternehmen” finden in diesem Frühjahr auf nationaler wie europäischer Ebene Treffen zwischen Wirtschaft und Politik statt. Doch mit dieser „Selbstverpflichtung” steht es aktienrechtlich nicht zum Besten: Wie könnte der heutige Vorstand eine Verpflichtung eingehen, welche Personen der Aufsichtsrat in den kommenden Jahren als Vorstandsmitglied bestellt oder wen die Hauptversammlung künftig in den Aufsichtsrat wählen wird? Die Entscheidung der Aufsichtsräte bzw. der Aktionäre ist nicht zu präjudizieren. Für diese Vorstellungen einer personalpolitischen Mehrjahresplanung bräuchten wir eine andere Unternehmensverfassung. Freilich ist die im politischen Raum betriebene „Selbstverpflichtung” nicht als Rechtsposition gemeint, sondern wohl als Direktive für die Auswahl des Führungspersonals. Aber auch dies harmoniert nicht mit dem geltenden Recht. Denn der Aufsichtsrat, der sich zwischen zwei Personen für ein Vorstandsamt entscheiden muss, kann nicht das Geschlecht als maßgebendes Kriterium nehmen, sondern muss auf die Qualifikation achten. Ein Aufsichtsrat würde sich haftbar machen, wenn er nicht die für das Unternehmen beste Person bestellt, sondern sich an einer proprietären Geschlechterquote orientiert.
Nur zu Klarstellung: Dass eine gute Personalentwicklung alle Ressourcen auszuschöpfen hat und dadurch den Kreis der Geeigneten (w/m) vergrößert, sollte selbstverständlich sein. Ein Unternehmen, das im Wettbewerb bestehen will, wird diese Entwicklung im eigenen Interesse betreiben. Eine starre Vorgabe wäre, frei nach einem Kanzlerinnendiktum, „nicht hilfreich”.
„verfassungwidrig” : das hatte ich gemutmasst.
vielen dank für Ihren beitrag dazu !
meine frage so nebenbei : dann war/ist „die frauenquote” in Norwegen nicht verfassungswidrig ?
In Norwegen gilt ja nicht unser liberales Grundgesetz…
danke, auch das hatte ich vermutet.
öhm, unser GG sei „liberal” ? aber doch nur/noch „auf dem papier”, nicht im RL …
tja, und wie machen „wir deutschen” das dann „mit den frauen” ./. der sog. gelichberechtigung — nicht nur in aufsichtsräten ?
bin dipl.ing. und allzu/sehr sog. praxisorientiert.
Der Beitrag hat mich als eigentlicher Frauenquotenbefürworter doch etwas nachdenklich gemacht. Da die Quote in der beabsichtigten 30% Form als zeitlich befristet intendiert ist — quasi als Katalysator zur Normalitätswirkung — mache ich mir Gedanken über die Konsequenz und langfristige Nachhaltigkeit.
Da immer wieder der rechtliche Faktor und die Freiheit der wirtschaftlichen Unternehmerentscheidungen angeführt wird, sehe ich einen wirtschaftlich hocheffektiven Lösungsweg aus dem Dilemma :
„Der Zusammenschluß von Pax World, Calvert und Walden Asset Management, die über eine Gesamt-Fond-Verfügungsmasse von 73 Milliarden $ verfügen, nutzen ihre Macht entsprechend : Vergangenen Herbst forderten Sie 54 Konzerne nachdrücklich auf, für eine bessere Geschlechterbilanz in ihren Organisationen zu sorgen.”
(Quelle : Manager Magazin, 03/2011, S. 106)
Weiterhin wird nach dem Diversity-Prinzip betont »Wenn Frauen mit am Tisch sitzen, ist die Diskussion wertvoller, der Entscheidungsprozess besser, das Management innovativer und kooperativer und das ganze Unternehmen stärker.«
Eine McKinsey-Studie belegt, dass gemischte Teams erfolg- und ertragreicher sind. Daher sind Investoren wie auch strukturelle Anleger daran interssiert, dass die Unternehmen eine ausgewogene Geschlechterbilanz herstellen.
Hierzulande tut man sich damit noch recht schwer, was auch gestandenen Managerpersönlichkeiten vermehrt auffällt :
„Für den neuen Vorstand von Bayer, Marijn Dekkers, ist es aufgrund seiner Karriere in den Vereinigten Staaten »selbstverständlich, dass dort Frauen in allen Ebenen vertreten sind«. (ebd.,S.101).
Kompetenzen scheinen auch nicht der allein maßgebliche Faktor bei den Besetzungen zu sein.
„Doch trotz der größeren Offenheit gegenüber Frauen verrät Headhunter Dieter Hoffmann, ‚werden bei großen Unternehmen nach wie vor viele Positionen ausgekungelt, die Qualifikation ist oft zweitrangig‚. Das Blockadegebaren wird natürlich nicht öffentlich zur Schau getragen. Nur diese und jene Bemerkung am Rande macht klar – ein Mann wäre halt schon passender.«
(Quelle: Manager Magazin 03/11, S. 104)
Daher denke ich, ob hier Vorgaben finanzmächtiger Investoren und Fondsgesellschaften wie o.g. nicht wesentlich wirksamere Vorgaben für ausgewogene Geschlechterbilanzen zu setzen — und zwar nicht 30%, sondern 50%.
Das macht ja Sinn.
Wie dann die Unternehmensvorstände dies innerhalb der gesetzten Frist umsetzen, bliebe ihnen dann im Rahmen der unternehmerischen Freiheiten selbst überlassen.
Allerdings wären die Konsequenzen billigend in Kauf zu nehmen, wenn es ein Unternehmen nicht schafft, dann ist das betroffene leider nicht mehr Global-Player, veraltet, out-of-the-game und für Investorinnen und Investoren uninteressant. An die Möglichkeit einer einvernehmlichen Fristverlängerung könnte dann im Rahmen der Vertragsfreiheit nachgedacht werden, allerdings unter Zahlung einer für solche Sachverhalte üblichen Konventionalstrafe.
Ich halte diese Vorgehensweise für ökonomisch effektiv und alle verfassungsrechtlichen Bedenken wären mit einem Schlag ausgeräumt.
Dennoch würde mich interessieren, warum die starre Quotenregelung in Norwegen nicht als europarechtlich unzulässig zu qualifizieren ist (speziell vor dem Hintergrung der Entscheidung des EuGH vom 11.11.1997-Rs. C‑409/95 — Marschall). Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages jedenfalls ist am 20.1.2010 der Ansicht gewesen, dass eine gesetzliche Frauenquote von 50 Prozent in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen nicht zweckmäßig und zudem nach Europarecht unzulässig sei (vgl. http://www.bundestag.de/presse/hib/2010_01/2010_012/02.html). Anders gewendet: Neben der aktuellen verfassungsrechtlichen Diskussion (vgl. auch BM’in Kristina Schröder unter Verweis auf ein leider nicht veröffentliches Gutachten von Fritz Ossenbühl; http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Namensbeitrag/2011/01/2011 – 01-28-handelsblatt-schroeder.html)scheint mir die europarechtliche Diskussion entschieden zu kurz zu kommen. Wäre schön, wenn wir hierzu aus berufenem Munde mehr erfahren könnten.
Zu Dietrich Hoffmann v. 15.03.2011:
Dass die starre Quotenregelung in Norwegen nicht als europarechtlich unzulässig zu qualifizieren ist liegt daran, dass Norwegen kein Mitgliedstaat der EU ist.
Norwegen gehört lediglich zum Europäischen Wirtschaftsraum. Dieser ist ein Abkommen, das die Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA; mit der Ausnahme der Schweiz) und die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) geschlossen haben und welches den Europäischen Binnenmarkt auf Island, Liechtenstein und Norwegen ausdehnt.
Zu Thomas Zabel vom 8.4.2011:
Danke für die Klarstellung zu Norwegen — hatte ich doch glatt übersehen.
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Dann bleibt aber immer noch die Frage, wie ein deutsches Gesetz gestaltet sein müsste, um nicht gegen Europarecht zu verstoßen. Vielleicht ist diese Fragestellung alsbald Makulatur:
Nach den jüngsten Äüßerungen der EU-Kommissarin Reding ist damit zu rechnen, dass zuerst die EU eine RL erlässt, die den Mitgliedsstaaten für deren „Großunternehmen” sogar eine starre Erfolgsquote von 30% ab 2015 vorschreibt — Tendenz steigend: 2020 müssten dann sogar 40 Prozent der Vorstände und Aufsichtsräte Frauen sein (Stand:18.4.2011)
http://www.welt.de/print/die_welt/politik/article13201209/Frauenquote-fuer-Topposten-der-Wirtschaft-kommt-aus-Bruessel.html
Das wirft die Folgefrage auf, ob ein darauf basierendes deutsches Umsetzungsgesetz vom BVerfG wegen Verstoßes gegen das GG überhaupt noch gekippt werden könnte, jedenfalls dann, wenn es eine starre/harte Quote enthält.
Wie in meinem Beitrag vom 15.3.2011 beschrieben, hatte zumindest der Petitionsaussschuss in einer rein deutschen Regelung mit starren Quoten einen Verstoß gegen Europarecht gesehen. Ich habe gerade eben festgestellt, dass der damals genannte Link leider nicht mehr aktiv ist. Nachstehend zum einen der aktualisierte Link und zum anderen die Wiedergabe der Pressemitteilung des Ausschusses, weil ich immer noch meine, dass dieser europarechtliche Aspekt in der aktuellen Diskussion einfach zu kurz kommt:
http://www.bundestag.de/presse/hib/2010_01/2010_012/02.html
„Keine gesetzliche Frauenquote in Aufsichtsräten
Petitionsausschuss — 20.01.2010
Berlin: (hib/HAE/LEU) Eine gesetzliche Frauenquote von 50 Prozent in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen soll nicht eingeführt werden. Dafür hat sich der Petitionsausschuss am Mittwochmorgen mehrheitlich ausgesprochen. Das Anliegen, mehr Spitzenfunktionen in der Wirtschaft mit Frauen zu besetzen, sei zwar wichtig, argumentierten die Koalition CDU/CSU und FDP, eine gesetzliche Regelung sei jedoch nicht zweckmäßig und zudem nach Europarecht unzulässig. SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen stimmten für die Vorlage. Der Ausschuss hat damit das Petitionsverfahren in der Sitzung abgeschlossen.
Die Petentin hatte gefordert, eine gesetzlich vorgeschriebene Frauenquote von 50 Prozent in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen spätestens zum Jahr 2010 einzuführen, bei Nichtbefolgen solle den Unternehmen die Börsenzulassung entzogen werden. Bei der Petition handelt es sich um eine sogenannte öffentliche Petition, die sechs Wochen lang auf der Internetseite des Bundestags stand und dort von 541 Unterstützern mit gezeichnet wurde.”
Es bleibt also spannend!
Leider lese ich erst jetzt die vielen interessanten Beiträge mit Argumenten, die ich so auch noch nicht auf dem Schirm hatte … Vielen Dank dafür.
Was mich bei allem Verständnis zuvorderst stört, ist die schon richtungsvorgebende Wortwahl. Wenn ich starre oder harte Quote lese, das suggeriert bereits eine Unbeweglichkeit, etwas Negatives, ganz sicher nichts Innovatives. Das ist schade, ich fühle mich auch sofort wieder in einer Abwehrhaltung, wenn ich sowas lese.
Ich selbst arbeite seit 3 Jahren in einem stark frauenlastigen Team und finde die Arbeit hier großartig, ergebnisorientiert, mit viel Informationsfluss — sowohl was Vorbereitung als auch Feedback angeht -, kompetent und straff geführt, aber durch gelegentliche „Sozialpausen” auch menschlich angenehm und entspannt. Wenn es schonmal Knatsch gibt, gibt’s auch hier, klar, greifen die Nichtbeteiligten ein und helfen, eine Lösung zu finden, echt klasse.
Die gleichen Erfahrungen machte jetzt mein Sohn, der in der Ausbildung zum Verwaltungsbetriebswirt ist und den ersten Praktikumsabschnitt in der Wirtschaft machte — männerlastig — und jetzt in Schule, Jugend, Sport sitzt — frauenlastig. Er ist begeistert, wie zügig und gut organisiert das Büro arbeitet und das, „obwohl” ein großer Teil der Kolleginnen Familie mit versorgungspflichtigen Kinder hat. Und mein kleiner Macho-Sohn steht nicht wirklich im Verdacht, ein Frauenversteher zu sein ;-))