Hier die (aktienrechtlichen) Klausuraufgaben, die im September 2021 im Rahmen der Prüfung im Schwerpunktbereich „Unternehmen und Märkte” an der Juristischen Fakultät zu bewältigen waren:
- Die (nicht börsennotierte) Fortuna-AG mit Sitz in Düsseldorf hat drei Aktionäre. A ist mit 60%, B und C sind mit je 20% beteiligt. A ist Alleinvorstand. A plant, eine weitere Betriebsstätte in Köln zu errichten. Das missfällt B und C, die meinen, die Arbeitsplätze sollten in Düsseldorf geschaffen werden. Sie wollen deshalb in der Satzung festschreiben lassen, dass die Fortuna-AG Niederlassungen nur nach einem Beschluss der Hauptversammlung (HV) errichten darf.
Frage 1a: Damit A sie nicht vor vollendete Tatsachen stellt, möchten B und C die Satzungsänderung so schnell wie möglich erreichen. Können sie ihren Plan umsetzen?
Frage 1b: Unterstellt, B und C sind Mitglieder des dreiköpfigen Aufsichtsrates der Fortuna-AG, hätten sie eine (weitere) Möglichkeit zur Durchsetzung ihres Anliegens?
- Im Vorfeld der nächsten Hauptversammlung (HV) beschuldigt C den A, bei der schließlichen Errichtung des Kölner Betriebs in die eigene Tasche gewirtschaftet zu haben. Der Gesellschaft sei ein Schaden von 1 Mio. Euro entstanden. C hat einige belastbare Belege in der Hand, möchte aber seine Beschuldigungen mit weiteren Tatsachen untermauern.
Frage 2a: Wie kann C an die nötigen Informationen gelangen?
Frage 2b: Wie wäre seine Lage, wenn die Fortuna nicht als AG, sondern als GmbH organisiert wäre?
Frage 2c: Kann C als Aktionär erreichen, dass ein etwaiger Schadensersatzanspruch gegen A geltend gemacht wird, wenn der Aufsichtsrat sich weigert?
- Der „Streit um Köln“ eskaliert. A beruft sogar die nächste Hauptversammlung nach Köln ein. Dort wird mit den Stimmen von A und C eine Kapitalerhöhung beschlossen. B nimmt aus Trotz an der HV nicht teil – doch den Beschluss ficht er fristgerecht durch Klage an. Wegen des laufenden Klageverfahrens kommt es zu keiner Eintragung des Beschlusses über die Kapitalerhöhung im Handelsregister. Die AG steckt in der Krise und ist wirtschaftlich dringend auf die Eigenkapitalzufuhr angewiesen.
Frage 3: Was ist dem Vorstand zu raten, der diese Maßnahme der Kapitalbeschaffung trotz der Klage rasch durchführen will?
- Die Aktionäre der Fortuna-AG sehen als einen Ausweg in ihrem Konflikt den Gang an die Börse, auch um „frisches Kapital“ zu gewinnen. Aus ihrem Bestand wollen sie keine Aktien abgeben.
Frage 4a: Was ist aktienrechtlich zu tun, damit Aktien der Fortuna-AG von Anlegern erworben werden können? (Auf kapitalmarktrechtliche Fragen ist nicht einzugehen).
Frage 4b: Inwieweit kann das Anliegen der Altaktionäre, weiterhin „das Sagen“ zu haben, durchgesetzt werden? (1) Die Altaktionäre denken daran, dass nur ihre Aktien ein Stimmrecht haben sollen, nicht die neuen. (2) Auch wird überlegt, den Altaktien ein dreifaches Stimmrecht zu gewähren bzw. das Stimmrecht der neuen Aktien durch einen Höchstbetrag zu beschränken. (3) Schließlich schwebt den Altaktionären vor, dass möglichst sie exklusiv die Mitglieder des Aufsichtsrats bestimmen.
Frage 4c: Um eine breite Streuung zu erreichen, sollen so viele Stückaktien ausgegeben werden, dass der anteilige Betrag 10 Cent des Grundkapitals ausmacht. Zulässig?
- Die Fortuna-AG ist immer auf der Suche nach Akquisitionen anderer Unternehmen, um ihr technologisches Portfolio abzurunden. Oft will die verkaufsbereite Seite kein Geld, sondern eine Beteiligung an der Fortuna-AG.
Frage 5: Welche Maßnahmen sind zu empfehlen, damit die Gesellschaftsorgane schnell und flexibel auf derlei Opportunitäten reagieren können (formelle und materielle Punkte knapp skizzieren)?
- Der Vorstand erwirbt mit Zustimmung des Aufsichtsrats das Unternehmen des Daniel Düsentrieb, der behauptet, eine weltbewegende Erfindung gemacht zu haben. Doch die angebliche Innovation verletzt bestehende Patente, was eine professionelle Recherche vorher zu Tage gefördert hätte. Diese hat sich der Vorstand der Fortuna-AG erspart. Die Transaktion gerät zum Desaster mit einem Millionenschaden. Der Vorstand weist die Verantwortung von sich, da der Aufsichtsrat dem Deal zugestimmt habe.
Frage 6: Welche Überlegungen sind im Aufsichtsrat anzustellen?
- A will eine virtuelle HV durchführen; B und C halten das für unzulässig, da – was zutrifft – sich drei Personen nach Maßgabe der Corona-Regeln auf jeden Fall treffen können. Das bis zum 31.12.2021 geltende Gesetz über Maßnahmen im Gesellschaftsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie lautet insoweit: „Der Vorstand kann entscheiden, dass die Versammlung ohne physische Präsenz der Aktionäre (…) als virtuelle Hauptversammlung abgehalten wird (…)“. –
Frage 7 (Zusatzfrage): Wie beurteilen Sie die Rechtslage? Hinweis: Die Antwort auf die Zusatzfrage kann der Notenverbesserung dienen; die volle Punktzahl ist auch ohne die Bearbeitung dieser Aufgabe erreichbar.
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