Eine Agentur lädt ein: „Wirtschaftskanzlei M&A — Special 2009 — e‑fellows.net Perspektive Wirtschaftskanzlei: M&A … Am 6. und 7. März 2009 dreht sich für hervorragende Nachwuchsjuristen alles um Mergers and Acquisitions … Für wen? Erstes Staatsexamen oder abgeschlossener staatlicher Teil der Ersten Juristischen Prüfung (jeweils mindestens 9 Punkte).”
Wissen eigentlich die „Vertreter von neun renommierten Kanzleien”, was ihre Agentur da anrichtet? Dass der universitäre Schwerpunktbereich (u.a. „Wirtschaftsrecht/Gesellschaftsrecht/Unternehmen und Märkte”), der zu einem Drittel die Juristische Prüfung ausmacht, gar keine Rolle spielen soll? Man fragt sich, wozu die „neun Kanzleien mit Weltruf” (Clifford Chance, Freshfields Bruckhaus Deringer, Hengeler Mueller, Allen & Overy, Debevoise & Plimpton, Milbank, Shearman & Sterling, Skadden, Taylor Wessing) mit Lehrbeauftragten und Honorarprofessoren an der universitären Schwerpunktausbildung teilweise intensiv mitwirken, wenn das später bei der Personalrekrutierung ausgeblendet wird. Die hier mitlesenden Kanzleivertreter sind aufgefordert, solchen fatalen Annoncierungen entgegen zu treten.
Hier in NRW ist es so, dass zuerst der staatliche Teil der Ersten Juristischen Prüfung abgelegt werden kann, und danach erst der Schwerpunkt. Deshalb soll damit der Schwerpunkt nicht diskriminiert werden. Jedoch ist natürlich nicht zu vergessen, dass lediglich der staatliche Teil ein Vergleich der Bewerber ermöglicht, da Anspruch und Benotung von Land zu Land, von Uni zu Uni und von Professor zu Professor stark divergieren.
Das liegt an den an manchen Fakultäten und von manchen Prüfern verteilten „Mondnoten” von 16P+. Es gibt inzwischen Schwerpunktbereichsjahrgänge, in denen der Durchschnitt knapp 10 Punkte beträgt. Wer glaubt, dass diese völlige Verzerrung des tradierten Notenspiegels tatsächlich durch eine Steigerung der Ausbildungsqualität zustande gekommen ist, ist m.E. sehr naiv. Jegliche Vergleichbarkeit ist verloren, das Prädikat in der 1. juristischen Prüfung zur Standardnote der oberen 60% des Leistungsspektrums verkommen.
Wie heißt es aber so schön: wenn jeder eine eins hat, hat keiner eine.
Das geht schon deshalb nicht, vereherter Prof. Noack, weil die Uni mit den Noten im Schwerpunktbereich weiterhin inflationär umgeht. Wenn also die Studenten im Schwerpunktbereich mit einem Schnitt von 11 Punkten abschließen (das ist an den allermeisten Unis so), dann brauchen sie im staatlichen Teil nur noch 6 oder 7 Punkte, um auf ein Prädikat zu kommen.
Das kann aber nicht Sinn der Sache gewesen sein. Insofern gebe ich den neun Kanzleien völlig recht, wenn sie nur nach dem staatlichen Teil aussuchen.
Hier ist vielmehr die Universität in der Bringschuld, die endlich mit den Kuschelnoten Schluss machen muss. Dann kann man den Schwerpunktbereich auch guten Gewissens mit einbeziehen.
MfG,
Jan Stasnik
Soweit es um die Vergleichbarkeit der Schwerpunktbereiche in den Staatexamen geht, kann ich mich meinen Vorrednern nur anschließen. Das ist eben die Krux mit dem Föderalismus.
Was aber m.E. immer vergessen wird: Die Examen waren auch vorher nach Ansicht vieler nicht vergleichbar (man denke nur an Klausurexamen bzw. Hausarbeitenexamen, und die Bayern haben ja sowieso das härteste Staatsexamen und mit sieben Punkten ein „kleines Prädikat”…).
Da es aber wohl keinen Weg zurück ins „Staats”-examen gibt, wäre vielleicht gerade diese Reform eine Möglichkeit, die Juristenwelt von ihrer unfassbaren Notengläubigkeit zu heilen. Als wäre jemand, der auch alle inzwischen nicht mehr vertretenen Theorien zum ETI auswendig gelernt hat, ein guter Jurist. Insoweit haben uns die allermeisten Berufsgruppen doch viel voraus.
1. Der Mangel an Vergleichbarkeit der zahlreichen Schwerpunkte und ihrer Benotung ist – wie bereits angemerkt wurde – der föderalen Vielfalt immanent. Wo ist das Problem?
2. Ebenso wie das „alte Staatsexamen“ früher vergleichbar war, ist die „neue Staatsprüfung“ vergleichbar. Eine auf die staatliche Note beschränkte Wahrnehmung ist daher im Ansatz verständlich.
3. Warum sollte bei der Nachwuchssuche nicht neben der staatlichen Note ein dem zukünftigen Berufsprofil entsprechender Schwerpunkt (hier dann Unternehmensrecht u.ä.) berücksichtigt werden?
4.Schicksalhaft wäre Letzteres allein für Bewerber, deren „Spezialisierung“ im Schwerpunkt sich auf staatlichen Pflichtstoff beschränkt, da diese keine zusätzliche Qualifikation aufweisen. Aber deren „examenstaktische“ Schwerpunktwahl zielt wohl auf eine bessere staatliche Note durch intensivere Vorbereitung. Und dann ist es ja auch nicht schlimm, wenn die zukünftigen Arbeitgeber auf die staatlichen Noten fokussieren.
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Noack und Mitarbeiter,
ich bitte darum, es den Kanzleien zu überlassen, welche Auswahlkriterien sie für (kostspielige) Angebote und Einstellungen auswählen.
Letztlich ist diese Ausschreibung SEHR FAIR. Denn sie sagt offen, was „wirklich zählt”. Hinter vorgehaltener Hand haben mir bisher alle Gesprächspartner aus Großkanzleien eingestanden, dass man die Schwerpunktnoten nicht als geeignetes Auswahlkriterium ansehe.
Die Offenlegung der Auswahlkriterien dient der Transparanz und öffnet den Studierenden die Augen dafür, dass die staatliche Prüfung (bis auf weiteres) den ausschlaggebenden Teil der Gesamtnote darstellt.
Grüße,
Ralf
Die Kritik an der Anzeige kann ich ebenso nicht teilen. Auch an unserer Universität werden sehr hohe Noten in der universitäre Prüfung vergeben. Es fehlt die Anonymität bei den Korrekturen, die im staatlichen Teil ein weitestgehend objektives Bild des Absolventen über seine Leistungen vermittelt. Zwar bewerten einige Lehrstühle auch staatsexamensnah- jedoch sind die betropffenen Absolventen gegenüber ihren Kommilitonen, die bessere Noten bekommen, angesichts der Wichtigkeit der Examensnote extrem benachteiligt.
Wenn eine Spezialisierung im Studium gewollt ist, sollte man die Prüfungen mE in das Staatsexamen integrieren.
Ich denke schon, dass die Kritik berechtigt ist, denn zum einen kann ich nicht bestätigen, dass die Schwerpunktnoten zwangsweise weit oberhalb derer des Staatsexamens liegen (in meinem Jahrgangs seinerzeit Schnitt von ca. 7 Punkten, also nur marginal über den Schnitten der Examina), zum anderen ist zu bedenken, dass gleichzeitig die Staatsprüfung schwieriger geworden ist, weil die Hausarbeit weggefallen ist. Das hat zu erheblichen Einbrüchen im staatlichen Teil geführt, denn früher sind Prädikatsexamina auch nur in der Minderzahl der Fälle durch Prädikat im Klausurenteil zustande gekommen.
Gerade wenn man früher in einem seltenen Nebengebiet die Hausarbeit schrieb, waren hoch zweistellige Ergebnisse durchaus erreichbar. Wer also 7,5 im schriftlichen hatte und dann noch 14 Punkte in der Hausarbeit (eine der Größenordnung nach durchaus häufige Konstellation), ging bereits mit einer Vornote von fast 10 (!) Punkten in die mündliche, so dass das VB sicher und das gut zumindest erreichbar war. (VB sogar noch, wenn mündlich nur 8 Punkte zB erreicht wurden).
Jetzt ist das anders, wer 7,5 Punkte im schriftlichen hat (und die Schnitte sind mit dem Wegfalls des Wahlfaches und der Erweiterung des Prüfungsstoffs eigentlich eher noch gefallen), der muss jetzt statt der obigen 8 im mündlichen über 11 Punkte machen, um wenigstens mit 9 gerade noch das VB zu kratzen in der Gesamtnote.
Dies ist umso schwieriger, wenn man bedenkt, dass die Vornote wohl in vielen mündlichen Prüfungen einen bewussten oder unbewussten Einfluss auf das Prüfungsergebnis hat.
Sich nur die staatliche Note anzuschauen und sie mit den früheren Werten zu vergleichen, ist also nicht unbedingt zielführend. Dies belegen ja auch die entsprechenden Einbrüche in den Schnitten in der ersten Staatsprüfung.
Dennoch steht es natürlichem jedem frei, seine Bewerbungskriterien zu gestalten wie er mag. Man könnte auch die Staatsnote „gut” als Voraussetzung verwenden. Die Frage ist eben, wieviele möglicherweise sehr wohl hochqualifizierte Juristen sich daraufhin nicht bewerben und welchen wirtschaftlichen Einfluss das auf das Unternehmen hat. Ist ein solcher nicht gegeben, dann wird das Unternehmen natürlich kein Incentive haben, andere Kritierien aufzustellen. Ist er doch vorhanden, werden die Kriterien nach den Gesetzen des Marktes wohl früher oder später geändert werden.
Generell ist es mE so, dass man im Personalwesen eher versucht, viele potentielle Bewerber zu finden und danach (selbst) auszusortieren, als potentielle Kandidaten von vornherein auszuschließen. Wenn der Bewerberpool auch mit den genannten Kriterien noch ausreichend ist, dann kann natürlich jedes Unternehmen diese aufrechterhalten — keine Frage.
Gut, dass ich mich damit nicht mehr rumquälen muss. Ich bewerbe mich jetzt „ohne”, das heißt nur mit meinem Scwerpunktzeugnis und werde zu Traineestellenvorstellungsgesprächen eingeladen. Jura ist wie eine Party, auf der 100 Leute ein Bier haben wollen, obwohl nur ein Kasten da ist.
Ich bin immer noch darüber empört wie wenig der Schwerpunktbereich wert ist. An unserer Uni liegt der Durchschnitt der Schwerpunktnoten bei knapp über 7 Punkten. Ich habe mich extra angestrengt um 12 Punkte zu erreichen und so mein Examen aufzuwerten. Im Schwerpunkt gehöre ich notenmäßig zu den oberen 3% an unserer Uni. Das soll nun nichts wert sein?
Zwar ist es richtig, dass sich eine bessere Vergleichbarkeit durch die staatlichen Noten ergibt. Man muss aber nicht vergessen, dass gerade der Schwerpunktbereich eine weitere Expertise gewährt. Würden die Anforderungen, die in den jeweiligen universitären Bereichen gestellt werden auch im staatlichen Teil Anwendung finden, so ergäbe sich jedenfalls auch eine höhere Punktzahl.
Kurz gesagt: Ein Student, der sich intensiv mit dem Aktienrecht oder dem Steuerrecht auskennt, ist für eine Wirtschaftskanzlei wertvoller, als jemand der das Völkerrecht beherrscht.
Zudem darf auch nicht vergessen werden, dass gerade wegen des Schwerpunktes irgendwann die nötigen Kenntnisse erschöpft sind. Es wird ja gerade auf hohem Niveau gelehrt und intensiv in den Stoff eingedrungen. Wäre diese intensive Kenntnis auch im staatlichen Teil präsent, so wären Punktzahlen um die 10 Punkte auch keine Hürde mehr.
Die Kommentare zeigen mehrheitlich die Unzufriedenheit der Absolventen mit der Einordnung des universitären Schwerpunktes. Wenn man sich die Gesetzesmaterialien zur Reform der Juristenausbildung liest, ist das Hauptanliegen des Gesetzgebers das Primat der Ersten Juristischen Staatsprüfung zu entschärfen und den Universitäten durch Mitsprache an der Gesamtnote mehr Einfluss zu geben. Auch das veränderte Berufsbild des Juristen (mehrheitlich RA) soll durch den Schwerpunkt mehr Relevanz eingeräumt werden.
Mit keiner Silbe wird erwähnt, wie den die einzeln aufgewiesenen Noten (EJS und JUP) sich auf den juristischen Arbeitsmarkt auswirken werden. Es war den Verantwortlichen wohl nicht bewusst, dass universitäre Notengebung nicht vergleichbar ist mit der zentralisierten und anonymisierten Staatsprüfung. Man hätte auf den Umstand besser reagieren können, wenn die einzelnen Noten, EJS und JUP, nicht einzeln ausgewiesen hätte, sondern nur die Gesamtnote abgebildet hätte.
Fraglich ist, ob es dem Absolventen etwas gebracht hätte. Richtig ist, dass dadurch die Anzahl an „vb” Absolventen gestiegen wäre, sodass eine Differenzierung für die Top-Jobs nicht möglich wäre. Was wäre passiert? Die Großkanzleien würden als Einstellungsvoraussetzung das Schreiben mit den schriftlichen Ergebnissen des EJS machen. Ich verstehe, dass es für einige schwer einzusehen ist, aber die Top-Jobs sind eben nur für 10 – 15% der Absolventen vorbehalten. Falls es einen Mehrbedarf geben sollte, wird der Arbeitsmarkt das selbst regulieren. Vielleicht lässt sich der Bedarf mit „vb” Absolventen in Zukunft nicht mehr decken. In diesem Fall werden andere Absolventen wieder attraktiver.