Aufsichtsrat und Vorstand sind Gutsverwalter, nicht Gutsherren. So wird der Vorsitzende Richter am BGH Dr. Tolksdorf anlässlich der Verkündung der Revisionsentscheidung in Sachen „Mannesmann-Prämien” zitiert. Das ist eine eingängige, eine populäre, eine verführerisch-gefährliche Formulierung. Wenn sich im Gefolge des BGH-Mannesmann-Strafurteils die Meinung verfestigen sollte, dass nachträgliche Zahlungen, die vorher nicht fest vereinbart wurden, strafrechtlich als Untreue gewertet werden, dann schadet dies eher den „Gutsherren” (Aktionären), weil die „Gutsverwaltung” nicht mehr flexibel genug ist, die richtigen Anreize zu setzen.
Denn dass der Aufsichtsrat nicht nachträglich (darum geht es!) einen Vorstand belohnen soll dürfen, ist geradezu provinziell und sachlich verfehlt. Ich bin selbst Aufsichtsratsmitglied einer kleinen Aktiengesellschaft. „Mein” Vorstand verdient ordentlich, aber nicht gut; warum soll es uns im AR nicht möglich sein, nach einem erfolgreichen Jahr die Gesamtleistung des Vorstands ex post zu würdigen und mit aus dem Inbegriff der Verhandlung (hier: des Geschäftsjahrs) geschöpften Überzeugung (s. § 261 StPO) eine Prämie zu beschließen? Man hätte zwar auch ex ante mit dem Vorstand vereinbaren können und macht das oft, dass er bei Vorliegen dieser und jener Parameter einen Bonus erhält. Aber genau dies legt den „Gutsverwalter” in nicht immer sachgerechter Weise fest. Bei bestem Pflanz‑, Wachs- und Erntewetter kann auch der eher mediokre Vorarbeiter respektable Ergebnisse erzielen, doch warum sollte die günstige Wetterlage ihn dann auch noch prämieren? Daher ist es doch uU besser, wenn nach Einbringung der Ernte von der Gutsaufsicht die besonderen Schwierigkeiten gewürdigt werden, ja es kann sogar angebracht sein, selbst bei einer Missernte noch zu belohnen, eben weil der Krise (verglichen mit Konkurrenzunternehmen) mit besonderem Einsatz begegnet wurde.
Bei der Mannesmann/Vodafone-Geschichte ging es übrigens nicht mehr um das abstrakte Interesse der übernommenen Mannesmann-AG, deren neue Großaktionäre mit den Zahlungen ja ausdrücklich einverstanden waren. Adams hat es in einem SPON-Interview treffend ausgedrückt: „Wirtschaftlich ging es weniger um Anerkennungsprämien, denn um Abwrackprämien. Dazu muss man verstehen, was bei einer feindlichen Übernahme geschieht.” Gut möglich, dass dem Senatsvorsitzenden (zwei Staatsexamina mit sehr gut), der beruflich nichts anderes kennt als die deutsche Justiz, in der er Karriere gemacht hat, dieses Verständnis weithin fehlt. Und zu Recht macht man sich mittlerweile Sorgen, was die „Richtungsentscheidung” des BGH, von der „man auch überrascht sein darf”, für den hiesigen Finanzplatz bedeutet (Ministerpräsident Koch in der FAZ v. 28.12.2005, S. 11).
Zutreffend erläutert Adams: „Die Manager vieler großer Telefonunternehmen waren zu dem Ergebnis gekommen, dass national beschränkte Gesellschaften nicht überleben würden und nur internationale Telefongiganten mit Netzen in allen wichtigen Ländern im äußert harten Wettbewerb eine Chance hätten. Aus diesem Grund hatten Mannesmann und Vodafone begonnen, andere Telefongesellschaften in der Welt aufzukaufen. Als Mannesmann für Vodafone bedrohlich wurde, beschloss das Vodafone-Management unter Gent, den Aktionären von Mannesmann ein Kaufangebot für deren Aktien zu machen, zu einem dramatisch besseren Preis als die Mannesmannaktie bisher wert war.
Vodafone sah diesen Preis als wirtschaftlich gerechtfertig an, weil es aus der einheitlichen Lenkung der Konzerne gewaltige Ersparnispotenziale erzielen wollte. Dieses Angebot traf natürlich auf den erbitterten Widerstand der Manager von Mannesmann unter Führung von Esser, die nun alle ihre Karriere als Topmanager am Ende sahen. Nach einem über hunderte von Millionen teuren Abwehrkampf mit Zeitungsanzeigen um die Gunst der Aktionäre, entschied sich die große Mehrheit der Aktionäre von Mannesmann, ihre Aktien zu verkaufen und damit die Selbständigkeit von Mannesmann aufzugeben und dessen Leitung an Vodafone abzugeben.
An dieser Stelle kommen nun die Prämien ins Spiel. Vodafone hatte nun zwar die ganz große Mehrheit der Aktien, konnte damit aber noch nicht den Mannesmannkonzern im operativen Geschäft steuern, da ja noch das alte Management unter Esser im Amt war und auch der Aufsichtsrat noch unverändert die Geschicke des Unternehmens kontrollierte. Wenn Esser und Co. nicht freiwillig gegangen wären, hätte Vodafone in einem langwierigen und auch kostspieligen Verfahren erst den Aufsichtsrat mit Hilfe einer Hauptversammlung und dann den Vorstand auswechseln müssen.
(…) In diesem halben Jahr hätte Vodafone bei Mannesmann einen frustrierten und unkooperativen Vorstand gehabt und dadurch letztlich Milliarden verloren. Vodafone stand ja auch wegen der Finanzierung der Übernahme unter großem Zeitdruck. Da war es einfacher und international auch üblicher, die Loyalität des Managements unter Esser mit Hilfe von Millionenprämien zu kaufen und damit eine reibungslose und kostengünstige Übergabe des operativen Geschäfts zu sichern. Auch wenn man das Ganze dann als Dank garnierte, waren es wirtschaftlich Zahlungen für Leute, die für den Zeitraum der Übergabe für Vodafone entscheidend wichtig waren, deren Karriere aber durch die Übernahme vielfach zerstört wurde. Ackermann kannte aus den Unternehmenskäufen der Deutschen Bank diese Zusammenhänge und hat die Millionenzahlungen daher als unvermeidlich angesehen.”
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