Trotz der Bedenken von Noack scheint die große Koalition vor der „Schicksalsfrage” (darum handelt es sich zumindest nach der Stellungnahme des BDI zum KapInHAG) der Einführung einer Vorstandshaftung zu stehen. Während einerseits die DSW auf eine entsprechende weite Regelung hofft, und eine Wiederaufnahme des (nach intensiver Kritik) vertagten Gesetzgebungsverfahrens am Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz fordert, wehrt sich (verständlicherweise) der BDI gegen jegliche Initiative in dieser Richtung.
Wenn jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird, wird nicht nur die offizielle Informationspolitik der Gesellschaft stärker reguliert. Das „Schreckensbild” ist es, dass Vorstandsmitglieder umfassend zum Schweigen verdammt werden — egal bei welchem Anlaß — denn ihre Aussagen könnten möglicherweise einen Dritten zum Kauf oder Verkauf von Anteilen veranlassen. Dass diese Vision nicht zu weit hergeholt ist, zeigen Extremfälle in den Vereinigten Staaten. Der Gesetzgeber bemühte sich mit der im DiskE-KapInHAG vorgeschlagenen Generalklausel für die Informationshaftung einen Mittelweg zu gehen — der aber letztlich an Kritik aus der Wissenschaft und Protesten der potentiellen Normadressaten zu überzeugen vermochte.
Ob es wirklich einen praktischen Bedarf nach einer strengen Informationshaftung für jegliche Äußerung von Vorstandsmitgliedern gibt, kann bezweifelt werden. Insbesondere die hierzu stets herangezogenen rechtsvergleichenden Erwägungen sind unergiebig (dazu schon Schwark, FS Hadding, S. 1117 ff.) und auch rechtsökonomisch ist jedenfalls eine Fahrlässigkeitshaftung fragwürdig.
Die Kernfrage ist, wem mit einer solchen Regelung gedient wäre — denn trotz „hoher” Vergütungen reicht das Vermögen der meisten Organmitglieder kaum zur Erfüllung unüberschaubarer Anlegerverluste… Prognosen im Hinblick auf die Chancen eines derartigen Haftungsgesetzes sind kaum möglich — aber dem Gesetzgeber ist zu raten, entsprechende Vorhaben gründlich zu durchdenken. Anlaß zur Eile besteht jedenfalls nicht.
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