Inwieweit gilt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz für Organmitglieder? § 6 Abs. 3 AGG ordnet eine entsprechende Geltung an, die sich auf „Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg” bezieht. Das OLG Karlsruhe befand am 13.9.2011 — 17 U 99/10 (DB 2011, 2256; GmbHR 2011, 1147) über den Fall einer Bewerberin, die sich vergeblich auf eine Stellenanzeige für einen „Geschäftsführer” beworben hatte. Ihr wurde wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung ein Strafschadensersatz i.H. eines Monatsgehalts (ca. 13 000 €) zugesprochen. Das OLG Karlsruhe erklärt mit einem einzigen Satz den sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich des AGG gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 3 für eröffnet. Das Gericht umgeht die vorgelagerte Frage, ob sich der „Zugang zur Erwerbstätigkeit” nur auf den entgeltlichen Dienstvertrag bezieht, während die Bestellung als korporativer Akt gerade nicht dem AGG-Reglement unterfällt.
Für diese in der Fachliteratur vertretene Auffassung spricht, dass die Gesellschafter frei über die organschaftliche Repräsentanz ihrer Gesellschaft bestimmen sollten; schließlich ist es ihr Vermögen, das dort von der Geschäftsleitung betreut wird. Die Auswahl der Personen ihres Vertrauens kann daher durchaus „willkürlich” (nach ihrem Willen) erfolgen. Erst wenn diese Entscheidung gefallen ist, darf bei dem nachfolgenden Dienstvertrag nicht aus in § 1 AGG genannten Gründen verfahren werden. Dies kann man schon aus dem Wortlaut folgern, der von „Geschäftsführer oder Geschäftsführerinnen” spricht, den Bestellungsakt zu diesen Organpersonen also voraussetzt.
Der Trend geht freilich in eine andere Richtung (kurzer Überblick bei Wilsing/Meyer DB 2011, 341). Auch die Bestellung sei an AGG-Kriterien zu messen, wird überwiegend in Kommentaren und Aufsätzen gefordert. Zu Ende gedacht ist dieser Gleichbehandlungs-Furor freilich nicht. Nicht nur der Bestellungsakt im Einzelfall, sondern die für ihn geltenden Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags gerieten ins Zwielicht (etwa eine statutarische Altersregelung für Geschäftsführer). Und vor allem beträfe die „Gleichbehandlung” die gesellschaftspolitisch erwünschte Erhöhung des Frauenanteils in Leitungspositionen. Ein männlicher Bewerber könnte stets dagegen vorgehen, dass die Gesellschafter (bzw. der Aufsichtsrat) sich in Verfolgung des genannten Ziels für eine Bewerberin entschieden haben.
Zurück zum Fall des OLG Karlsruhe. Meint der Begriff „Geschäftsführer”, den sowohl das das GmbH-Gesetz als auch die inkriminierte Stellenanzeige verwenden, wirklich eine „männliche Berufsbezeichnung” (so der Senat)? In keinem der mittlerweile 18 Kommentare zum GmbHG wird der Begriff in diesem Sinne erläutert. Der OLG-Senat postuliert eine eigene Sprachregelung, die in Abweichung vom Gesetzeswortlaut für Stellenanzeigen gelten soll (Ergänzungen durch „/in” oder „m/w”). Und so grüßen mechanisch angebrachte Zusätze den neuzeitlichen Gesslerhut.
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