Eine Besprechung des Romans von Daniel Zimmer durch Rupprecht Podszun im Kartellrechtsblog
https://www.d‑kart.de/blog/2019/12/08/lesen/
„Der Protagonist ist Professor Felix Möbius, der an der Hauptstadt-Uni Kapitalmarktrecht lehrt. Der in seiner Ehe gelinde frustrierte Endvierziger verguckt sich Hals über Kopf in die Studentin Annabel, so etwas soll vorkommen, habe ich mir sagen lassen. Offenbar kommt es zwischen Möbius und Annabel in der Berliner Torstraße 84 zu dem, was an einer Stelle „Sex mit Abhängigen“ genannt wird, wobei uns Zimmer die Details leider zum Glück erspart. In einem zweiten Erzählstrang lässt sich Möbius darauf ein, in der Porsche-Saga ein Gefälligkeitsgutachten für einen windigen Fonds zu erstatten. Auch sowas soll unter Juraprofessoren gelegentlich vorkommen (weiß ich natürlich auch nur vom Hörensagen). Was sich in dieser Konstellation entfaltet – es kommen noch eine CDU-Bundestagskandidatin („die Nutella-Frau“) und zwei verkrachte Informatik-Studenten ins Spiel – ist eine Geschichte mit lauter Betrügereien hier und dort, sodass bald nicht mehr klar ist, wo eigentlich oben oder unten ist.
Zimmer ist natürlich ein intelligenter Autor und häkelt die Stränge so zusammen, dass die Lektüre nicht unterfordert und trotzdem Spaß macht. Der Ton: eine gewisse ironische Distanz des auktorialen Erzählers. Hier und dort scheint der Professor im Romancier auf, der noch eine kleine Kulturgeschichte des Betrügens aus der Literatur einflicht, vom biblischen Jakob bis zu Rainald Goetz‘ Johann Holtrop. Und wenn man sich bang fragt, wie der Autor das alles wieder aufdröseln will, treibt dieser die Geschichte vorwärts: Schon rast der Leser als Beifahrer mit Möbius im Jaguar von Berlin aus Richtung Côte d’Azur, wo ja mediterrane Leichtigkeit gelegentlich das Leben ändert.
Was Sie schon immer über Juraprofessoren wissen wollten, aber…
In den ersten zwei Dritteln des Buches bin ich sehr befangen: zu sehr ist all das, was Zimmer schildert, ein Bericht aus dem Professorenleben. Wohl dem, der darüber lachen kann und sich nicht dauernd fragen muss, wie sehr man da eigentlich den Spiegel vorgehalten bekommt… Wer Jura-Fakultäten oder den Tanz von Anwälten und Gutachtern nur aus der Ferne kennt, mag das für satirische Zuspitzung halten. Doch eigentlich bleibt Zimmer nah an den Realitäten (etwa wenn er eine Sitzung des Fakultätsrats schildert, in der stundenlang über die Sanierung eines Fahnenmasts vor der Universität debattiert wird (Öffentlich-Rechtler: natürlich dafür, Zivilrechtler: eher dagegen, Strafrecht: schweigt)). Dass Juristische Fakultäten schon ohne Übertreibung zur Karikatur taugen, sollte zu denken geben.
Die eigentliche Offenbarung ist dann das überraschende letzte Drittel des Buches. Bewegt sich „Möbius“ zuvor auf dem Niveau eines sehr unterhaltsamen Campus-Romans, kommt es hier plötzlich zu einer ganz anderen literarischen Wanderschaft – alle weiteren Auskünfte würden spoilern, und das sollte man der Leserschaft dieses Blogs wirklich nicht antun.
Man möchte gleich von vorn lesen (und das soll man sogar, Stichwort: Möbius-Band), aber noch mehr möchte man sagen: Lass doch, lieber Daniel Zimmer, die nächste Auflage des Immenga/Mestmäcker einfach mal deine Mitarbeiter schreiben und setz dich an den nächsten Roman!
(…) Zimmer, der offenbar die „economics of free“ verinnerlicht hat, hat den Roman kostenlos ins Netz gestellt. Ist das ein Angriff auf andere erfolgreiche Geschäftsmodelle, die mit kostenfreien Leistungen zu Umsätzen gekommen sind, von denen selbst Großgutachter Felix Möbius nur träumen kann? (…) Und Sie auch: Unter www.kunstdesbetruegens.de können Sie den neuen Zimmer kostenfrei herunterladen und lesen!”
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