Ein Aktionär kann sich auf der Hauptversammlung vertreten lassen (§ 134 III 1 AktG). Es ist auch möglich, dass der Aktionär einen anderen ermächtigt, „im eigenen Namen das Stimmrecht für Aktien auszuüben, die ihm nicht gehören” (§ 129 III 1 AktG; sog. Legitimationszession; im Teilnehmerverzeichnis wird praxisüblich „Fremdbesitz” vermerkt). Die Voraussetzungen dieser Legitimationszession sind unklar, weshalb sie in streitigen Hauptversammlungen bzw. Anfechtungsprozessen immer wieder auffällt (zuletzt hier). Eine Ermächtigung (§ 185 BGB) ist erforderlich, aber ist sie der Versammlungsleitung nachzuweisen und ggf. wann? Bedarf es auch der Übertragung des Besitzes an den Aktien auf den Ermächtigten? Das Kammergericht Berlin hat diese Frage bejaht (10.12.2009 — 23 AktG 1/09). Begründung: Das Stimmrecht könne nicht von der Aktie abgespalten und nicht ohne sie übertragen werden. Aber man kann die Legitimationszession auch als gesetzliche Ausnahme vom Abspaltungsverbot verstehen. Dann genügt die Ermächtigung, die Besitzverhältnisse können unverändert bleiben.
Gelegentlich einer Aktienrechtsnovelle 2014 ff gehört die Legitimationszession abgeschafft (ersatzlose Streichung von § 129 III AktG). Man braucht sie nicht – außer zur Beschäftigung von Aktienrechtsjuristen …
Noack/Zetzsche im Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2010, § 129 Rn. 59: „Diese dubiose Rechtsfigur hatte wohl eine Berechtigung zu den Zeiten, als die Aktienurkunde zur Legitimation üblich war. Präsentierte eine Bank von ihr verwahrte und als solche erklärte Kundenaktien, wusste die Gesellschaft, dass es sich um Fremdbesitz handelt; damit war die Legitimationswirkung der Wertpapiervorlage in Frage gestellt. Daraus erwuchs die Notwendigkeit einer Ermächtigung zur Rechtsausübung für den Depotkunden. Die Gesellschaft sollte sich nicht darum kümmern müssen, aus welchem Recht das Wertpapier präsentiert wurde. Mit der Spezialregelung der Ausübung des Stimmrechts durch Kreditinstitute (erst § 114 Abs. 4 AktG 1937, jetzt § 135 AktG) entfiel die Notwendigkeit für diese Konstruktion. Jedenfalls ist mit dem Übergang zum urkundslosen Legitimationssystem der Beweggrund einer Vereinfachung der Verwaltungsabläufe nicht mehr durchgreifend. Es wird im Gegenteil sehr kompliziert: Eine Besitzübertragung ist nur noch in absurd gekünstelter Weise (mehrfach gestufter mittelbarer Besitz an einer im Tresor liegenden Globalurkunde) konstruierbar. In Wahrheit ist die Legitimationszession eine Abspaltung der HV-bezogenen Mitgliedschaftsrechte – also ein Vorgang, den es nach der reinen Lehre nicht geben darf.”
Ergänzung: Instruktiv und weiterführend Bayer/Scholz, Der Legitimationsaktionär – Aktuelle Fragen aus der gerichtlichen Praxis, NZG 2013, 721 ff.
Uneingeschränkte Zustimmung. Schöner Hinweis auf die historischen Wurzeln. Heute ist die Figur des Legitimationsaktionärs nicht nur ein dogmatischer Bruch (Stichwort: Abspaltungsverbot), sondern m.E. auch eine Ursache dafür, dass das Aktienregister die ihm durch § 67 I AktG zugewiesene Funktion nicht wirklich erfüllen kann.