Für die Volkswagen-AG gilt nach deren Satzung, aber eben auch VW-gesetzlich: „Beschlüsse der Hauptversammlung, für die nach dem Aktiengesetz eine Mehrheit erforderlich ist, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt, bedürfen einer Mehrheit von mehr als vier Fünftel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals der Gesellschaft.” (§ 4 III VW-Gesetz). Das Land Niedersachsen ist an der VW-AG mit 20% beteiligt.
Hat der EuGH im Jahr 2007 gerügt, dass diese Bestimmung des VW-Gesetzes für sich genommen europarechtswidrig sei? Er hat jedenfalls festgestellt, das (seinerzeitige) gesetzliche Entsendungsrecht des Landes in den Aufsichtsrat und die (seinerzeitige) gesetzliche Festlegung eines Höchststimmrechts auf 20% verstoße gegen die Art. 56 EG (heute: Art. 63 AEUV). Doch im Tenor des Urteils hat er hinzugefügt: „in Verbindung mit § 4 Abs. 3 VW-Gesetz”.
Hat die Bundesrepublik gegen die Verpflichtung zur Umsetzung des Urteils verstoßen, weil § 4 Abs. 3 VW-Gesetz unverändert beibehalten wurde? Das nimmt die die EU-Kommission an, mit kräftigen Worten: Es scheine besonders weit hergeholt, das Versäumnis der Bundesrepublik, das Urteil des Gerichtshofs vollständig umzusetzen, ausschließlich mit den drei Worten „in Verbindung mit” im Urteilstenor rechtfertigen zu wollen.
Der Generalanwalt sieht in seinem heute veröffentlichten Schlussantrag die Sache aber genauso wie die Bundesrepublik. „Meiner Ansicht nach schließt die Verwendung der Formulierung „in Verbindung mit” im Urteilstenor für sich genommen schon die von der Kommission vorgeschlagene Auslegung aus.” (Nr. 32). „Meines Erachtens sollte die Klage der Kommission daher abgewiesen werden, und die Kosten sollten der Kommission auferlegt werden.” (Nr. 55).
Der Generalanwalt analysiert das umstrittene Urteil und erkennt, dass der Gerichtshof sich zum Zusammenspiel bzw. den Wechselwirkungen von Höchststimmrecht und erhöhter qualifizierter Mehrheit geäußert hat (Nr. 39 – 46). Es ging um die Beschränkung von „Direktinvestitionen in das Kapital von Volkswagen” durch Höchststimmrecht (20%) und gesetzlich erhöhter Mehrheit (über 80%).
Ob die spezialgesetzliche Anordnung einer erhöhten Mehrheit (wie in § 4 III VW-Gesetz) für sich genommen gegen Unionsrecht verstößt, sei vorliegend nicht zu prüfen (es geht hier um die Umsetzung des Urteils 2007). „Diese Frage sollte meiner Ansicht nach in einem Verfahren nach Art. 258 AEUV entschieden werden.” (Nr. 54).
Bemerkenswert schließlich die Ermahnung des Generalanwalts an den EuGH, dass er „dazu beitragen (könne), Unsicherheiten zu vermeiden, indem er für eine transparente Urteilsbegründung sorgt und den Urteilstenor sorgfältig formuliert.” (Nr. 24).
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