Die „Briefwahl” (§ 118 II AktG) ist 2014 von zwei Dritteln der DAX30-Gesellschaften angeboten worden (s. diese Erhebung); 2015 kommen noch einige dazu, u.a. die Deutsche Telekom AG. Briefwahl ist eine flotte Sache, die via Internet kurzerhand erledigt ist (habe das real und live in der Vorlesung demonstriert). Fraglich ist, wieso daneben noch ein großer Aufwand mit dem gesellschaftsbenannten Vertreter betrieben wird (§ 134 III 5 AktG). Warum über Eck, wenn es auch direkt geht?
Die Ausgestaltung der „Briefwahl” (besser formuliert das österreichische Aktiengesetz: Fernabstimmung) ist überaus verschieden. Manche Gesellschaften beharren auf dem Postbrief, überwiegend wird die Stimmabgabe über ein Internetportal ermöglicht. Auch der letztmögliche Zeitpunkt für den Eingang der Stimme ist unterschiedlich bestimmt (Vortag HV, Beginn HV, Beginn der Abstimmung in der HV). Für den Aktionär mag das etwas mühsam sein, denn er muss die Erläuterungen der jeweiligen Gesellschaft genau studieren. Dass sich ein buntes Bild ergibt, ist dennoch eine gute Sache und genau so gewollt: Die Gesellschaften können ihre eigenen Lösungen anbieten, eine „beste Praxis” wird sich herausbilden und sich ggf. in einigen Jahren als Kodex-Empfehlung niederschlagen.
Wenig geheuer ist den DAX30-Gesellschaften die Online-Teilnahme (§ 118 I 2 AktG). In ängstlicher Bürokratensprache heißt es etwa bei ThyssenKrupp: „Angesichts bestehender Bedenken zur technischen Umsetzung sowie zur Rechts- und Abwicklungssicherheit wurde von dieser Möglichkeit jedoch bislang kein Gebrauch gemacht.” Die „bestehenden Bedenken” haben gestern die Münchener Rückversicherungs- AG nicht davon abgehalten, ihre HV dem Online-Aktionär zu öffnen (s. Hinweise für die Online-Teilnahme), ebenso wird es (wie schon 2014) der Pionier, die SAP AG halten. Die Online-Teilnehmer können ihre Stimme auf diesem Wege abgeben, im Grunde also „Briefwahl” ausüben. Insoweit unterscheiden sich die beiden Varianten nur darin, dass die Online-Aktionäre in das Teilnehmerverzeichnis gelangen, die Fernabstimmenden nicht.
Diese Erfahrungen und Entwicklungen werden im Oktober eine Konferenz beschäftigen, welche die EU-Generaldirektion Justiz ankündigt: „Under the panel on the use of digital tools in the area of corporate governance, the Commission wish to discuss the following topics: electronic voting, electronic platforms for collaboration between companies and investors as well as between investors and similar tools.”
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