Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gegen Beschlüsse der Hauptversammlung haben in den vergangenen drei Jahren stark abgenommen, so das Jenaer Institut für Rechtstatsachenforschung zum Deutschen und Europäischen Unternehmensrecht. Im Auftrag des BMJ hat das Institut eine Studie über die Auswirkungen des ARUG auf Beschlussmängelklagen gefertigt. Die Erhebung stellt einen „Rückgang der Beschlussmängelklagen zwischen 2008 und 2011 um fast 80 %; Rückgang der Zahl beklagter Aktiengesellschaften (inkl. SE u. KGaA) um fast 70 %; Rückgang der Zahl angegriffener Hauptversammlungsbeschlüsse um rund 75 %; Rückgang der Zahl angegriffener Strukturbeschlüsse um rund 80 %” fest (Bayer AG 2012, 141 Fn. 11). Auch habe sich offensichtlich das Aktivitätsspektrum sog. „Berufskläger” deutlich reduziert.
Dieser Befund hat zunächst einmal die Einschätzung zur Folge, dass eine große Reform des Beschlussmängelrechts nicht vonnöten erscheint (Seibert/Böttcher ZIP 2012, 12, 15) – wenn man nur auf diese Zahlen schaut. Die Gesellschaften können, so hört man aus Beraterkreisen, mit dem verschärften Freigabeverfahren sehr gut leben. Das Quorum durch die Hintertür (1000 €-Anteilsschwelle nach § 241 II Nr. 2 AktG) und die rigide Abwägungsvorgabe des § 241 II Nr. 3 AktG führen dazu, dass die vom Verfahren erfassten HV-Beschlüsse (insbesondere Kapitalmaßnahmen) zügig eingetragen werden. Aber hier setzt auch die Kritik an, wonach das Pendel zu weit in die andere Richtung getrieben wurde. Jedenfalls ist es seltsam, wenn materiell jeder Aktionär zur Anfechtung befugt ist (§ 245 AktG), aber anschließend durch eine Sonderprozedur (§ 246a AktG) ausgebremst wird. Man braucht schon etliche Worte, um dies in einer Vorlesung zu erklären und erntet skeptische Blicke („was soll das”?). Es ist zu warnen vor der neuen Bequemlichkeit, die mit dem UMAG/ARUG-Freigabeverfahren Einzug hält. Wertungswidersprüche bekommen der Rechtsordnung nicht.
Nicht besser wird es, wenn ein weiterer Schuppen dem schiefen Gebäude des Beschlussmängelrechts angefügt wird. Der Regierungsentwurf einer Aktienrechtsnovelle 2012 will als neue Kategorie die befristete Nichtigkeitsklage einführen, aber nur, wenn schon eine andere Beschlussklage läuft. Dazu hat Stilz (Präsident des OLG Stuttgart) in DB v. 2.3.2012 (Standpunkte, S. 21) kritisch das Nötige gesagt.
Nachdem dies geschafft ist, sollten nun die lästigen Spruchverfahren eingeschränkt werden. Hier könnte es ausreichen, ausschließlich auf den Drei-Monats-Durchschnittskurs vor Bekanntgabe der entsprechenden Maßnahme abzustellen.
Sollten danach immer noch „räuberische Aktionäre” übrig geblieben sein, bleibt noch die Möglichkeit die Aktiengesellschaft als solche abzuschaffen, wie dies schon Jhering gefordert hatte (Rudolf v. Ihering, Der Zweck im Recht, Bd. I, 3. Aufl., Leipzig 1893, S. 223)