BGH zur Ordnung des Fragerechts in der HV

§ 131 Abs. 2 S. 2 AktG lau­tet: Die Sat­zung … kann den Ver­samm­lungs­lei­ter ermäch­ti­gen, das Frage- und Rede­recht des Aktio­närs zeit­lich ange­mes­sen zu beschrän­ken.” Der BGH hat heute dazu ent­schie­den: Zuläs­sig ist die Bestim­mung von ange­mes­se­nen kon­kre­ten Zeit­rah­men für die Gesamt­dauer der Haupt­ver­samm­lung und die auf den ein­zel­nen Aktio­när ent­fal­len­den Frage- und Rede­zei­ten, wel­che dann im Ein­zel­fall vom Ver­samm­lungs­lei­ter nach pflicht­ge­mä­ßem Ermes­sen zu kon­kre­ti­sie­ren sind. Eben­falls zuläs­sig ist die Ein­räu­mung der Mög­lich­keit, den Debat­ten­schluss um 22.30 Uhr anzu­ord­nen, um eine Been­di­gung der Haupt­ver­samm­lung noch am sel­ben Tag sicher­zu­stel­len. Der Ver­samm­lungs­lei­ter hat bei der Aus­übung des ihm ein­ge­räum­ten Ermes­sens die kon­kre­ten Umstän­den der Haupt­ver­samm­lung zu beach­ten. — Damit wen­det sich der II.Zivilsenat des BGH gegen die Beru­fungs­ent­schei­dung des OLG Frank­furt v. 12.2.2008, das eine Rege­lung des Zeit­rah­mens unter Hin­weis auf Art. 14 GG (!) nicht erlau­ben wollte. — S. auch Kers­t­ing im Köl­ner Kom­men­tar zum AktG, 3. Aufl. § 131 Rn. 280 – 282 (im Erscheinen):

Umstrit­ten ist aller­dings, in wel­chem Rah­men der Sat­zungs- oder Geschäfts­ord­nungs­ge­ber Nähe­res bestim­men kann. Teil­weise wird § 131 Abs. 2 S. 2 AktG dahin gehend aus­ge­legt, mit­tels der nähe­ren Bestim­mung könne abs­trakt fest­ge­legt wer­den, wel­che Beschrän­kun­gen ange­mes­sen seien. Sat­zung oder Geschäfts­ord­nung könn­ten dem Haupt­ver­samm­lungs­lei­ter auf diese Weise einen anfech­tungs­si­che­ren Ent­schei­dungs­rah­men ange­ben, etwa der­ge­stalt, dass eine Beschrän­kung einer nor­ma­len‘ Haupt­ver­samm­lung auf eine Dauer von sechs Stun­den als ange­mes­sen gilt. Hier­für spricht in der Tat, dass nur so eine Ent­las­tung der Gesell­schaft von miss­bräuch­li­chen Fra­gen erreicht wer­den kann. Ande­ren­falls wür­den Anfech­tungs­kla­gen nicht mehr mit der Begrün­dung der Aus­kunfts­pflicht­ver­let­zung, son­dern der unan­ge­mes­se­nen Beschrän­kung des Fra­ge­rechts erho­ben werden.

Den­noch kann die­ser Ansicht nicht gefolgt wer­den. Wollte man näm­lich dem Sat­zungs- oder Geschäfts­ord­nungs­ge­ber die Fest­le­gung der Ange­mes­sen­heit über­las­sen, so würde man damit das Aus­kunfts­recht weit­ge­hend zur Dis­po­si­tion stel­len – man denke nur an den Fall, dass eine Frage pro Aktio­när für ange­mes­sen erklärt wird. Diese Kon­se­quenz will die oben geschil­derte Ansicht aller­dings selbst nicht zie­hen. Bei einer Gefähr­dung von Aktio­närs­min­der­hei­ten könne nicht mehr von einer ange­mes­se­nen Beschrän­kung gespro­chen wer­den. Der Gesell­schaft soll also nur in einem gewis­sen Rah­men ein gerichts­freier Spiel­raum zur Defi­ni­tion des Ange­mes­se­nen ein­ge­räumt wer­den. Aber auch mit die­ser Ein­schrän­kung ist diese Auf­fas­sung abzu­leh­nen. Ob die Annahme, dem Sat­zungs­ge­ber sei ein gerichts­freier Spiel­raum zur Defi­ni­tion der Ange­mes­sen­heit ein­ge­räumt, tat­säch­lich ver­fas­sungs­recht­li­che Pro­bleme im Hin­blick auf Art. 14 GG auf­wirft, sei dahin­ge­stellt. Jeden­falls geht eine vom Sat­zungs­ge­ber abs­trakt fest­ge­legte Beschrän­kung, die sich im Ein­zel­fall als unan­ge­mes­sen erwei­sen kann, über das hin­aus, was zur Gewähr­leis­tung des ord­nungs­ge­mä­ßen Ablaufs der Haupt­ver­samm­lung erfor­der­lich ist. Nur zu die­sem Zweck sind jedoch nach Art. 9 Abs. 2 Aktio­närs­rech­te­richt­li­nie Beschrän­kun­gen mög­lich (oben Rn. 270).

Die in § 131 Abs. 2 S. 2 AktG vor­ge­se­hene Mög­lich­keit, nähere Bestim­mun­gen zu tref­fen, erlaubt es also nicht, gerichts­frei und in abs­trak­ter Weise bestimmte Beschrän­kun­gen als ange­mes­sen zu defi­nie­ren. Damit ver­liert diese Vor­schrift jedoch nicht ihren Anwen­dungs­be­reich. Mög­lich blei­ben zunächst sol­che Regeln in der Sat­zung, wel­che die Ange­mes­sen­heit zwar für den Regel­fall defi­nie­ren, dabei aber gleich­zei­tig dem Ver­samm­lungs­lei­ter auf­ge­ben, die Ange­mes­sen­heit im Ein­zel­fall durch ein Abse­hen von der Beschrän­kung zu sichern. Mög­lich blei­ben sodann auch ver­fah­rens­recht­li­che Regeln. Schließ­lich bedeu­tet der Umstand, dass für den Ver­samm­lungs­lei­ter kein siche­rer Bereich zuläs­si­ger Beschrän­kun­gen defi­niert wer­den kann, nicht, dass sei­nem Beschrän­kungs­recht nicht umge­kehrt Gren­zen gezo­gen wer­den kön­nen. Die nähere Bestim­mung kann schließ­lich auch so aus­se­hen, dass bestimmte Beschrän­kun­gen als nicht ange­mes­sen defi­niert wer­den und dem Fra­ge­recht auf diese Weise ein Min­dest­um­fang garan­tiert wird.”

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