Die „Wirtschaftswoche” und (textgleich) das Handelsblatt haben die Vortrags- und Tagungsteilnahmen von Bundesrichtern zu skandalisieren versucht. Unter anderem wird der Vorsitzende des II. Zivilsenats aufs Korn genommen, weil er auch Vorstandsmitglied der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung (VGR) ist. Und etwas Tratsch über persönliche Beziehungen darf natürlich nicht fehlen … . Die Beispiele sind z.T. neu, die Angelegenheit als solche nicht: Ist „die deutsche Richterschaft gefangen im Netz von Lobbyisten?” Diese Frage stellt und verneint (zu Recht) Prof. Dr. Martin Henssler in einem wohlabgewogen-nüchternen Gastkommentar in der aktuellen Ausgabe „Der Betrieb”:
„(…) Es ist traditionell die Stärke der deutschen Rechtskultur, dass sich Juristen aller Professionen in den fachlichen Diskurs einbringen und dass — etwa auf den Deutschen Juristentagen — alle Berufsgruppen miteinander und nicht nur in geschlossenen Zirkeln untereinander diskutieren. Richter sind daher selbstverständlich aufgefordert, auf Anwaltskongressen und Praktikertagungen der Wirtschaft sowie der Verbraucherverbände, auf Gewerkschaftskongressen ebenso wie auf Tagungen der Arbeitgeberverbände ihre Sichtweise und ihren spezifischen Erfahrungsschatz beizusteuern.
Es ist daher nicht nur wünschenswert, sondern unverzichtbar, dass Richter aller Gerichtsbarkeiten und Instanzen bereit sind, Tagungen aktiv mitzugestalten und das juristische Schrifttum zu bereichern. Positiv zu bewerten ist es, wenn Richter sich in die thematische Planung nicht kommerzieller Tagungen einbringen und ehrenamtlich im Vorstand solcher Tagungsveranstalter aktiv sind. Senatsvorsitzenden des BGH vorzuwerfen, dass sie mit einem derartigen ehrenamtlichen Engagement zweifelhafte Interessen verfolgten, weil dem Vorstand auch erfolgreiche Anwälte angehören, erscheint mir vor diesem Hintergrund nicht gerechtfertigt.
Die Richterschaft profitiert ihrerseits, wenn sie sich für den Stand der wissenschaftlichen Debatte interessiert, aber auch für die Folgeprobleme, die ihre Rechtsprechung aufwirft. Nur der breit informierte, für die Diskussion aufgeschlossene Richter, der die Erkenntnisse des Schrifttums in seinen Urteilen verwertet, kann seinen verantwortungsvollen Beruf überzeugend ausüben. (…)
Allerdings ist von der Richterschaft besonderes Fingerspitzengefühl gefordert. Ihre Rolle als unabhängige und unparteiliche Organe der Rechtspflege verlangt ihnen ein erhöhtes Maß an Zurückhaltung ab. Die Gefahr, von Interessenverbänden umgarnt zu werden, muss jeder Richter sehr ernst nehmen. …”
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