Der am 11.12.2014 vom Kabinett beschlossene Regierungsentwurf eines „Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen” sieht vor, dass auch bei bestimmten Europäischen Aktiengesellschaften (SE) eine Geschlechter-Zwangsquote im Aufsichts- bzw. Verwaltungsrat eingeführt wird. Der Referentenentwurf vom September 2014 hatte noch eine mehr oder weniger freiwillige „Soll”-Bestimmung vorgesehen. Geplant ist, einen § 17 Abs. 2 SE-Ausführungsgesetz wie folgt einzufügen: „Besteht bei einer börsennotierten SE das Aufsichtsorgan aus derselben Zahl von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern, müssen in dem Aufsichtsorgan Frauen und Männer jeweils mit einem Anteil von mindestens 30 Prozent vertreten sein.” Diese Regelung wird sieben börsennotierte Unternehmen betreffen, die als SE verfasst sind und eine paritätische Mitbestimmung kennen: Allianz SE, MAN SE, BASF SE, Porsche Holding SE, Bilfinger SE, SGL CARBON SE und E.ON SE.
Gegen die ursprünglich vorgesehene Nichteinbeziehung der genannten europäischen Aktiengesellschaften im Referentenentwurf richtete sich erhebliche Kritik. Man bemängelte eine Ungleichbehandlung und einige fürchteten sogar eine Flucht vor der Quote in die SE. Jetzt richtet sich das Augenmerk auf die Vereinbarkeit der Zwangsquote des Regierungsentwurfs mit dem europäischen Recht.
Denn bei der SE besteht die Besonderheit, dass die Mitbestimmung im Aufsichtsrat zwischen einem besonderen Verhandlungsgremium der Arbeitnehmer (BVG) und der Leitung der SE vereinbart wird (Art. 4 SE-Richtlinie). Aus Sicht des SE-Rechts bestehen keine Bedenken, wenn die Auffanglösung greift, d.h. die Verhandlungen zu keiner Vereinbarung führen und damit die „Regelungen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer kraft Gesetzes” (§ 34 SE-Beteiligungsgesetz) gelten. Dann ist der Aufsichtsrat eben nach den Vorgaben des AktG und des MitbestG zu besetzen.
Wie ist aber die Rechtslage, wenn eine das gesetzliche Modell verdrängende Vereinbarung getroffen wird? Dazu führt die Begründung des Regierungsentwurfs im Ansatz zutreffend aus: „Die Verhandlungen können neben einer paritätisch mitbestimmten auch zu einer mitbestimmungsfreien oder nur teilmitbestimmten SE führen. Der europäische Gesetzgeber hat die Rahmenbedingungen für die Verhandlungen festgelegt und den Verhandlungsparteien im Übrigen einen weiten Gestaltungsspielraum gelassen. Diesen Verhandlungsspielraum nutzen die Verhandlungspartner insbesondere dazu, die Internationalität der europäischen Gesellschaft durch eine entsprechende Zusammensetzung des Aufsichts- oder Verwaltungsorgans für die Arbeitnehmerseite widerzuspiegeln. Diesen Gestaltungsspielraum gilt es auch zu nutzen, um gemeinsam mit der Anteilseignerseite eine der Quotenregelung entsprechende geschlechtergerechte Besetzung des paritätisch mitbestimmten Aufsichts- oder Verwaltungsorgans der börsennotierten SE nach Absatz 2 Satz 1 zu erreichen.”
Zum Gestaltungsspielraum: Es ist sehr fraglich, ob der mitgliedstaatliche Gesetzgeber die geschlechterpersonelle Zusammensetzung des Aufsichtsrates vorgreiflich regeln kann, also die Verhandlungsparteien in sein bindendes Korsett gesellschaftspolitischer Vorstellungen zu zwängen vermag. Zwar kann das mitgliedstaatliche Aktienrecht gem. Art. 47 Abs. 2 SE-Verordnung bestimmen, wer dem Aufsichtsrat nicht angehören darf (s. § 100 AktG). Aber die Inhabilität ist etwas anderes als die Quotierung des Gremiums nach dem Geschlecht. Art. 4 SE-Richtlinie räumt den Beteiligten eine Regelungsautonomie ein, wozu (jedenfalls auf Arbeitnehmerseite) auch die Freiheit der Personalauswahl für den Aufsichtsrat gehören dürfte. Christine Windbichler hat schon im Jahr 2008 in einer Anhörung vor dem Bundestag-Rechtsausschuss darauf hingewiesen: „Engere Vorgaben als sie ohnehin schon bestehen widersprechen jedenfalls dem Ansatz des Vorranges von Vereinbarungslösungen.” Eine Stellungnahme der Hans-Böckler-Stiftung (DGB) vom April 2014 geht davon aus, dass dem „nationalem Parlament, zumindest hinsichtlich der Arbeitnehmersitze, die Regelungskompetenz (fehlt)”.
Eine Vereinbarung könnte also nach europäischem Recht ohne Beachtung der Quote des nationalen Aktienrechts getroffen werden. Dann allerdings müsste wohl die Seite der Anteilseigner die auf den gesamten Aufsichtsrat bezogene 30%-Quote allein erfüllen. Darauf wird sie sich schwerlich einlassen, was das Scheitern der Verhandlungen wahrscheinlich macht, wenn nicht wiederum die Arbeitnehmerseite zu Quoten-Zugeständnissen bereit ist. Wie man es dreht und wendet: Die zuweilen schwierigen Verhandlungen über eine Vereinbarung zur Mitbestimmung werden weiter erschwert.
Schließlich gilt es bestehende Mitbestimmungsvereinbarungen bei der SE zu achten. Diese nach geltendem europäischem Recht getroffenen Vereinbarungen können nicht durch einen Akt des nationalen Gesetzgebers beseitigt werden.
Man sieht, das letzte Wort über die Quote bei der SE ist noch nicht gesprochen. Das Ganze könnte allerdings durch europäische Gesetzgebung in Richtung Quote gedreht werden, denn bekanntlich hat die vormalige EU-Kommission vor zwei Jahren einen Richtlinienvorschlag mit einem 40%-Ansatz vorgelegt, dem das Europäische Parlament vor einem Jahr zugestimmt hat.
(Der Beitrag erschien am 16.12.2014 im Handelsblatt-Rechtsboard).
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