Dissertationen zum Beschlussmängelrecht

Wegen eines lau­ten Hand­trock­ners auf der Toi­lette der Olym­pia­halle wer­den die Beschlüsse der Sie­mens-Haupt­ver­samm­lung über die Osram-Abspal­tung ange­foch­ten, so berich­tet die Presse. Diese und wei­tere Kurio­si­tä­ten (s. auch hier) rich­ten den Blick erneut auf das Beschluss­män­gel­recht bei der Akti­en­ge­sell­schaft. U.a. hat der Deut­sche Juris­ten­tag 2012 eine Reform ange­mahnt. Da passt es gut, wenn Stu­dien aus der Rechts­wis­sen­schaft sich um die kon­zep­tio­nel­len Grund­la­gen bemü­hen. In letz­ter Zeit sind einige aus­ge­zeich­nete Dis­ser­ta­tio­nen erschie­nen, die sich dem Gegen­stand wid­men und rechts­po­li­ti­sche Alter­na­ti­ven prä­sen­tie­ren. Sie seien hier in knap­per Weise vorgestellt: 

Über die akti­en­recht­li­che Anfech­tungs­klage zwi­schen sub­jek­ti­vem Rechts­schutz und objek­ti­ver Rechts­kon­trolle – ein Bei­trag zur Reform des Beschluss­män­gel­rechts” schreibt Phil­ipp Dorn­bach (2013). Die Bon­ner Dis­ser­ta­tion wurde von Hoff­mann-Becking betreut. Der Ver­fas­ser ist der Auf­fas­sung, dass mit der Anfech­tungs­klage nur die Ver­let­zung eige­ner sub­jek­ti­ver Rechte gel­tend zu machen ist. Die Rechts­folge der Klage sei an der Art des ver­letz­ten Rechts zu ori­en­tie­ren. Wenn aus­schließ­lich Ver­mö­gens­rechte ver­letzt wer­den, so genüge ein mone­tä­rer Scha­dens­er­satz­an­spruch. Bei der Ver­let­zung von Mit­ver­wal­tungs­rech­ten will der Autor auf die im Ein­zel­fall vor­herr­schen­den Mehr­heits­ver­hält­nisse” Bedacht neh­men, dar­aus soll sich erge­ben, ob eine Auf­he­bung des Beschlus­ses in Betracht kommt. Das Letzt­ge­nannte klingt kompliziert. 

Die­sen Vor­schlä­gen nahe ste­hen die Ergeb­nisse von Timo Fie­bel­korn über Die Reform der akti­en­recht­li­chen Beschluss­män­gel­kla­gen” (2013). Die Jenaer Dis­ser­ta­tion wurde von Bayer betreut. Der Autor plä­diert eben­falls dafür, aus der (ver­meint­li­chen) Aktio­närs-Popu­lar­klage durch Geset­zes­än­de­rung eine Klage nur aus eige­ner Rechts­ver­let­zung zu machen. Die Nich­tig­keit soll nur noch ein­tre­ten, wenn der Beschlus­s­in­halt im Gläu­bi­ger- oder sons­ti­gen öffent­li­chen Inter­esse nicht hin­nehm­bar ist. Für die Anfecht­bar­keit sei zwi­schen Anle­ger- und Unter­neh­mer­ak­tio­när zu unter­schei­den. Klagt jemand unter 1% Grund­ka­pi­tal­an­teil, so wird der Beschluss ein­ge­tra­gen (bzw. seine Wirk­sam­keit fest­ge­stellt), bei erfolg­rei­cher Klage wird die Rechts­wid­rig­keit fest­ge­stellt und ggf. Scha­dens­er­satz zuge­spro­chen. Klagt jemand unter 3% Grund­ka­pi­tal­an­teil, so wird der Beschluss auf Antrag der Gesell­schaft unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen ein­ge­tra­gen (bzw. seine Wirk­sam­keit fest­ge­stellt), i.ü. wie vor­her. Diese in viele Worte gefasste Dif­fe­ren­zie­rung leuch­tet eher wenig ein und will nicht recht zur Ver­ein­fa­chungs­idee passen. 

Mat­thias Schatz hat eine Arbeit über den Miss­brauch der Anfech­tungs­be­fug­nis durch den Aktio­när und die Reform des akti­en­recht­li­chen Beschluss­män­gel­rechts” ver­fasst (2012). Die Köl­ner Dis­ser­ta­tion wurde von Gru­ne­wald betreut. Der Autor tritt dafür ein, die Beschluss­män­gel­fol­gen auf der Ebene des mate­ri­el­len Rechts sach­ge­recht zu dif­fe­ren­zie­ren (so bereits der Ansatz des Arbeits­krei­ses Beschluss­män­gel­recht 2008). Die rück­wir­kende Beschluss­kas­sa­tion soll die Aus­nahme sein. Das Frei­ga­be­ver­fah­ren soll durch eine Zwi­schen­ent­schei­dung zur vor­zei­ti­gen Regis­ter­ein­tra­gung” des Pro­zess­ge­richts abge­löst wer­den, was einen Antrag der Gesell­schaft vor­aus­setzt. Für bör­sen­no­tierte Gesell­schaf­ten soll es zudem ein mode­ra­tes Quo­rum” geben (0,25% Grund­ka­pi­tal bzw. antei­lig 25 000 €), das über­schrei­ten muss, wer eine Regis­ter­sperre aus­lö­sen oder eine rück­wir­kende Beschluss­auf­he­bung errei­chen will. 

Wert­voll an den Dok­tor­ar­bei­ten ist außer den prä­sen­tier­ten Reform­vor­schlä­gen die kri­ti­sche Auf­ar­bei­tung der gel­ten­den Rechts­lage. Hier sind ins­be­son­dere Fie­bel­korns Stu­dien zu vie­len Ein­zel­fra­gen der Beschluss­män­gel­kla­gen und ein­ge­hend zu dem Frei­ga­be­ver­fah­ren zu erwäh­nen. Die Ent­wick­lung der akti­en­recht­li­chen Anfech­tungs­klage zeich­net Dorn­bach in gelun­ge­ner Weise nach mit Blick auf die These der h.M., es gebe einen Anspruch auf gesetz- und sat­zungs­ge­mäße Beschluss­fas­sung. — Was fehlt ist die Rechts­ver­glei­chung. Das sei nur bemerkt, nicht kri­ti­siert, denn für eine solide Rechts­ver­glei­chung ist ein ganz erheb­li­cher Auf­wand von­nö­ten, den im ver­gan­ge­nen Jahr Hol­ger Flei­scher unter­nom­men hat (Die AG 2012, 765 – 783). 

Schließ­lich sei noch auf die Mar­kus Feh­ren­bach hin­ge­wie­sen: Der feh­ler­hafte Gesell­schaf­ter­be­schluss in der GmbH – All­ge­mei­nes Beschluss­män­gel­recht und ana­loge Anwen­dung des Akti­en­rechts” (2011). Die Pas­sauer Dis­ser­ta­tion wurde von Wil­helm betreut. Der Autor wen­det sich mit guten Grün­den gegen die herr­schende Auf­fas­sung, wonach die §§ 241 ff AktG im GmbH-Recht ent­spre­chend anzu­wen­den sind. Diese h.M.” wird einer sehr ein­ge­hen­den Kri­tik unter­zo­gen. Ins­be­son­dere wer­den die Unter­schiede in der recht­li­chen und recht­stat­säch­li­chen Struk­tur der bei­den Gesell­schafts­for­men her­aus­ge­stellt, Der Ver­fas­ser kommt zu dem Ergeb­nis, dass das Beschluss­män­gel­recht der GmbH aus all­ge­mei­nen Grund­sät­zen zu ent­wi­ckeln sei. Er unter­schei­det zwi­schen dem Ver­stoß gegen Rege­lun­gen, die dis­po­si­tiv sind und sol­chen die es nicht sind. Ein Kla­ge­er­for­der­nis (entspr. § 246 AktG) und eine starre Kla­ge­frist gibt es danach nicht. Für Ver­fah­rens­ver­stöße sei im GmbH-Recht auf die Kau­sa­li­tät abzustellen. 

(Bei­trag in gekürz­ter Fas­sung am 4.3.2013 auch erschie­nen im Rechts­board).

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