Das Spruchverfahrensgesetz soll evtl. novelliert werden. Zur Vorbereitung hat das BMJV „an die im Gesellschaftsrecht interessierten Verbände” (warum nur an Verbände?) einen Fragenkatalog versandt, der „nach Möglichkeit bis Ende Juli” beantwortet werden soll:
„1. Wie sind die praktischen Erfahrungen mit den derzeit geltenden Vorschriften des Spruchverfahrensgesetzes?
2. Sollte die Regelung der gerichtlichen Zuständigkeit verändert werden?
3. Sollten die Fristen für die Antragstellung und die Antragserwiderung verkürzt werden?
4. Sollten im Spruchverfahren weiterhin die allgemeinen Regeln des FG-Verfahrens Anwendung finden?
5. ln welcher Weise könnte die Begutachtung durch Sachverständige verbessert werden?
6. Sollten die für das Spruchverfahren geltenden Kostenvorschriften geändert werden?
7. Welche sonstigen Änderungen des Spruchverfahrens könnten in Betracht gezogen werden?”
Prof. Noack fragt zu Recht, warum nur Verbände angehört werden. Die Antwort aus meiner Sicht lautet: Gesetzgeberische Entscheidungen in diesem Bereich werden zunehmend von Lobbyisten beeinflusst. Manchmal schreiben diese sogar die Gesetzesvorlagen. Dennoch einige Anmerkungen zu dem, wohl bewusst, allgemein gehaltenen Fragenkatalog:
Das zweigliedrige Spruchverfahren mit dem Landgericht, KfH und dem OLG als Berufsgericht hat sich bewährt. Den erfahrenen Vorsitzenden der Kammern für Handelssachen die Kompetenz für diese Verfahren abzusprechen, nichts anderes bedeutet die Verlagerung der Verfahren auf das OLG als erste Instanz, ist verfehlt. Vor den Landgerichten herrscht üblicherweise Anwaltszwang. Verfahren mit mehr als 100 Antragstellern überfordern diese Gerichte. Dies bedeutet nicht, dass auch einzelne nicht anwaltlich vertretene Antragsteller in diesen Verfahren nicht kompetent sind. Hier sind aber Prioritäten zu setzen. Damit einhergehend erscheint eine Abkehr der Grundsätze des FGG folgerichtig.
Der Mindeststreitwert von € 5.000 gehört abgeschafft. Anders lässt sich die Unart, auch Verwandte 3.Grades als Antragsteller zu gewinnen, um mit wenigen Aktien den Streitwert in die Höhe zu treiben, nicht in den Griff zu bekommen.
Der Vertreter der außenstehenden Aktionäre sollte rechenschaftspflichtig sein. Gerade bei Vergleichen besteht oft der Verdacht, die Kostenerstattung für die Beteiligten geht zu Lasten der im Verfahren nicht vertretenen Aktionäre, indem z.B. eine niedrigere Barabfindung durch die Kostenerstattung kompensiert wird.
Auch könnte darüber nachgedacht werden, für Vergleiche eine Zustimmungsquote zu regeln (so LG Hannover in einer mutigen Entscheidung).
Das Parteigutachten zu den Strukturmaßnahmen erscheint überflüssig. Das WP Kartell führt dazu, dass nur in ganz wenigen Ausnahmefällen durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen eine Korrektur des Parteigutachters erfolgt. Oft erfolgt ohnehin eine Neubegutachtung angeordnet durch die Kammer.
Die Antragsfrist kann durchaus verkürzt werden.
Die Kostenvorschriften sollten zwingend geändert werden. Die derzeitige Praxis erscheint willkürlich. Einige Gerichte verweigern den Antragstellern die Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten selbst in Fällen, in den eine Entscheidung zugunsten der Antragsteller erfolgt, andere Gerichte sprechen den Antragstellern eine Erstattung selbst in den Fällen zu, in denen die Anträge abgewiesen werden.
Es sollte auch darüber nachgedacht werden, die Bewertungsgrundsätze teilweise zu konkretisieren. Soll grundsätzlich nach CAPM entschieden werden? Wenn ja, kann der risikolose Basiszinssatz nach Svensson (aktualisiert) vorgegeben werden. Gleiches gilt für die Marktrisikoprämie. Hier besteht die Chance, die völlig verfehlten Vorgaben eines Herrn Stehle auszuschalten.
Es ließen sich viele weitere Punkte anführen. man kann nur hoffen, dass die Verbände diese einbringen. Vermutlich werden sich aber auch hier die Vertreter der Großaktionäre, die kein Interesse an einer Verbesserung des Verfahren zugunsten der Minderheitsaktionäre haben, durchsetzen.