Der Entwurf für ein Gesetz zur weiteren Stabilisierung des Finanzmarktes — Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz ist heute von der Bundesregierung beschlossen worden.
Art. 3 („Rettungsübernahmegesetz”) enthält die politisch vieldiskutierte Ultima-Ratio-Enteignung (vorgesehene Geltung bis 30.6.2009). Die Aufregung darum ist kaum verständlich. Im Normalfall der Insolvenz müssen die Anteilseigner auch zusehen, wie die restlichen Vermögenswerte von dem Insolvenzverwalter zugunsten der Gläubigergesamtheit verwertet werden. Und nur weil HRE nicht pleite geht, da aus bekannten Gründen vom Staat gestützt, kann für die Anteilseigner doch nichts anderes gelten.
Interessanter und praktisch wichtiger sind die Neuregelungen in Art. 2 („Beschleunigungsgesetz”):
- Die HV-Beschleunigung gilt auch, wenn Dritte die Kapitalerhöhung zeichnen und wenn noch andere Beschlussgegenstände auf der Tagesordnung stehen (§ 7 I 4 n.F.)
- Kapitalmaßnahmen zur Rekapitalisierung stets mit einfacher Stimmenmehrheit (§ 7 II, VI n.F.)
- Bei Bezugsrechtsausschluss: 2/3‑Stimmenmehrheit oder einfache (Stimmen)-Mehrheit, wenn die Hälfte des Grundkapitals vertreten ist (7 III n.F.)
- Schadensersatzpflicht für treuwidrig opponierende Aktionäre: „Aktionäre, die eine für den Fortbestand der Gesellschaft erforderliche Kapitalmaßnahme, insbesondere durch ihre Stimmrechtsausübung oder die Einlegung unbegründeter Rechtsmittel, verzögern oder vereiteln, sind der Gesellschaft gesamtschuldnerisch zum Schadensersatz verpflichtet. Ein Aktionär kann nicht geltend machen, dass seine Stimmrechtsausübung für das Beschlussergebnis deshalb nicht ursächlich war, weil auch andere Aktionäre ihr Stimmrecht in gleicher Weise ausgeübt haben” (§ 7 VII n.F.) Die Begründung sagt dazu: „Absatz 7 konkretisiert die Treupflicht der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft. Diese Treupflicht kann sich zur Pflicht verdichten, das Stimmrecht in der Hauptversammlung so auszuüben, dass eine für den Fortbestand der Gesellschaft notwendige Kapitalmaßnahme nicht vereitelt wird.”
Ferner finden sich Bestimmungen über ein beschleunigtes und vereinfachtes öffentliches Übernahmeangebot durch den Fonds
(§ 12 n.F.) sowie Ausnahmen von der Insolvenzanfechtung, von den Vorschriften über Gesellschafterdarlehen und den Rechtsgrundsätzen der verdeckten Sacheinlage (§ 18 n.F.).
Nun stabilisiert mal schön.
Ich persönlich vermisse ja noch die Änderung von Artikel 6 Abs. 3 FMStG, durch welchen § 19 Abs. 2 InsO am 1.1.2011 wieder in den Rechtszustand vor dem 18. Oktober 2008 versetzt wird; also ohne die Ergänzung durch das MoMiG vom 1. November 2008.
Dazu hatten Sie am 29. Oktober 2008 schon berichtet.
Aber im Rahmen dieses oder kommender Gesetzgebungsverfahren besteht ja bis zum 31.12.2010 noch ein wenig Zeit. Art 6 FMStG kam in der Form ja auch erst im Rahmen des (kurzen) Gesetzgebungsverfahrens.
Bedauerlich ist, dass die vorgesehene Schadensersatzpflicht für räuberische Aktionäre nur für die zum Fortbestand der Gesellschaft erforderlichen Kapitalmaßnahmen gilt und nicht verallgemeinerungsfähig ist… ansonsten wäre es eine simple Lösung für das Problem.
Wie steht es eigentlich um die Verfassungsmäßigkeit des Art. 3 FMStGErgG — Rettungsübernahmegesetz? Soweit man sich die Befristung in § 6 und die politischen Aussagen der letzten Tage zu Gemüte führt, fällt es nicht schwer am Allgemeinheitserfordernis dieses Gesetzes zu zweifeln, dieses vielmehr als Einzelfallgesetz zu qualifizieren. Zumindest die — mir aus der Verfasungsrechtsvorlesung noch bekannte — Formel des BVerfG, dass im Sinne von Art. 19 I 1 GG grundrechtseinschränkende „Verwaltungsakte in Gesetzesform” verboten sind, weckt hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit Befindlichkeiten.