Die Inhaberaktie bei nichtbörsennotierten Aktiengesellschaften soll abgeschafft werden; zugelassen wird künftig nur noch die Namensaktie; bestehende Gesellschaften müssen bis Ende 2014 umstellen. So sieht es der Referentenentwurf einer Aktiengesetznovelle vor. Begründung: „Auf internationaler Ebene wurde Kritik am deutschen Rechtssystem dahingehend geäußert, dass bei nichtbörsennotierten Gesellschaften mit Inhaberaktien keine ausreichenden Informationen über den Gesellschafterbestand verfügbar seien. Dies soll zum Anlass genommen werden, die Transparenz in diesem Bereich zu verbessern.” Diese „internationale Ebene” besteht einzig und allein aus der wenig bekannten Financial Action Task Force (FATF). Dabei handelt es sich um ein der OECD angegliedertes Gremium zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, das 1989 gegründet wurde und dem 33 Staaten angehören. In ihrem dritten Bericht aus dem Jahr 2010 für Deutschland („Third Mutual Evaluation Report of Germany” vom Februar 2010) bemängelte die FATF, dass bei Inhaberaktien keine hinreichende Transparenz hinsichtlich der Gesellschafterstruktur gewährleistet sei: „Lack of transparency over non-publicly listed stock corporations that issue their shares in bearer form … „create a potentially considerable risk of ML and TF”. ML = Geldwäsche, TF = Terrorfinanzierung.
Von den 17 357 Aktiengesellschaften sind 16 651 nicht an der Börse. Bislang besteht eine freie Wahl, ob Inhaber- oder Namensaktien (§§ 10 Abs.1, 23 Abs. 3 Nr. 5 AktG) ausgestellt werden. Die große Mehrzahl führt Namensaktien, was eine vernünftige Entscheidung ist. Aber es gibt eine mindestens vierstellige Zahl von Gesellschaften, die sich für die Inhaberaktie entschieden haben. Da ist man doch erschrocken, was diese Gesellschaften mit ML und TF zu tun haben. Gibt es dazu Rechtstatsachen, etwa Ermittlungsergebnisse oder gar Gerichtsverfahren? Die FATF kann in ihrem umfänglichen Report ebenso wenig wie die Begründung des Referentenentwurfs irgendetwas in dieser Richtung nennen. Es handelt sich also lediglich um die Unterstellung, bei Gesellschaften mit Inhaberaktien könnte es zu den inkriminierten Aktivitäten kommen. Eine nicht substantiierte Befürchtung ist aber kein tauglicher Grund für einen gesetzgeberischen Eingriff zur Eliminierung der Inhaberaktie.
Sollten unter dem Deckmantel der kleinen Aktiengesellschaft tatsächlich Geldwäsche und Terrorfinanzierung betrieben werden, so wäre es mit einer gegenüber dem Vorstand transparenten Beteiligungsstruktur durch Namensaktien nicht getan, denn in diesem Fall werden Aktionäre und deren Manager unter einer Decke stecken. Die Öffentlichkeit (und damit auch die Polizei) erfahren von der Zusammensetzung des Aktionariats auch bei Namensaktien nichts. Das vom Vorstand geführte Aktienregister ist nicht publik; selbst Aktionäre dürfen nur die eigenen Daten einsehen, es sei denn, die Satzung erlaubt Weiteres (§ 67 Abs. 6 S. 1 und 2 AktG). Damit unterscheidet sich die Rechtslage deutlich von der GmbH. Dort ist die Gesellschafterliste (§§ 16, 40 GmbHG) über das Handelsregister (§ 9 HGB) für jedermann zugänglich. Schon deshalb ist sehr zweifelhaft, ob man mit der internen Registrierung der Aktionäre das Ziel erreicht, „Geldwäsche und Terrorfinanzierung” zu bekämpfen. Die Festlegung auf die Namensaktie erscheint dafür weder geeignet noch erforderlich. Die Bestrebungen im deutschen Aktienrecht gehen an sich dahin, die Satzungsfreiheit auszuweiten. Die Abschaffung von Satzungsfreiheit bei der Wahl der Aktienart wäre ein Schritt rückwärts.
Eine kurze Frage zum Kommentar von Prof. Noack: Woher nehmen Sie die Zahlen 17357 (= AGen total) und 16651 (= AGen mit Börsenzulassung)? Der FATF-Report enthält insofern unter Ziffer 1047 abweichende Angaben.
Quelle: Deutsches Aktieninstitut, Factbook 2010 (www.dai.de) und mdl. Auskunft Dr. Fey (DAI).