Investorenschutz in Deutschland allenfalls Mittelmaß?

Was haben Leso­tho, Liba­non, Deutsch­land, Tan­sa­nia, Weiß­russ­land und Uru­guay gemeinsam?

Sie zie­ren Platz 98 eines Ran­kings der Welt­bank im Bereich Inves­to­ren­schutz”. Nach die­sem Ran­king wäre es unter Schutz­aspek­ten bes­ser, sich an Gesell­schaf­ten in Maze­do­nien (Rang 16) oder Ruanda (Rang 22) zu betei­li­gen. Dass in Deutsch­land mehr als in den genann­ten Staa­ten inves­tiert wird mag mit ande­ren Spit­zen­wer­ten zu tun haben: Zugang zu Elek­tri­zi­tät Rang 3, Durch­set­zung von Ver­trä­gen Rang 5.

Wie kommt die Welt­bank zu der für Deutsch­land wenig schmei­chel­haf­ten Ein­stu­fung?

Sie legt die­sen Fall zugrunde: Dem Unter­neh­mer James gehö­ren 60% der Aktien einer bör­sen­no­tier­ten Gesell­schaft; er ist einer der 5 Vor­stands­mit­glie­der und hat zwei wei­tere ernannt. Diese Gesell­schaft kauft auf Anre­gung von Herrn James eine Last­wa­gen­flotte von einem Unter­neh­men, das zu 90% Herrn James gehört. Der Kauf­preis ist höher als der Markt­preis; er ent­spricht 10% des Betriebs­ver­mö­gens der Gesell­schaft. Die Trans­ak­tion ver­ur­sacht einen Scha­den bei der Gesell­schaft. Aktio­näre gehen gegen Herrn James und die ande­ren Betei­lig­ten vor.

Dann wird bewer­tet, wie die Rechts­ord­nung reagiert. Drei Kate­go­rien wer­den gebil­det: Trans­pa­renz, Haf­tung des Vor­stands und Aktio­närsklage. Von den mög­li­chen 30 Punk­ten wer­den hier 15 ver­ge­ben. Ohne Punkt bleibt das deut­sche Recht in der Frage, ob ein unab­hän­gi­ger Drit­ter den Kauf vorab zu begut­ach­ten hat. Ohne Punkt bleibt das deut­sche Recht in der Frage, ob ein Gericht den Kauf annul­lie­ren kann. Ohne Punkt bleibt das deut­sche Recht in der Frage, ob Herr James den Gewinn aus dem Kauf her­aus­zu­ge­ben hat. Ohne Punkt bleibt das deut­sche Recht in der Frage, ob der Aktio­när die Kauf­do­ku­mente vor der Klage ein­se­hen kann.

Eine Stu­die, die 189 Staa­ten ver­gleicht (Neu­see­land: 1; Afgha­ni­stan: 189), kann nicht alle Eigen­hei­ten berück­sich­ti­gen. Es erscheint aber nicht rich­tig, nur den Sach­ver­halt einer Rela­ted Party Tran­sac­tion” als Prüf­stein zu neh­men. Zum Inves­to­ren­schutz gehört etwa auch die Mög­lich­keit, auf der Haupt­ver­samm­lung Fra­gen an den Vor­stand zu stel­len. Und bei unzu­rei­chen­der Ant­wort bzw. bei jedem Feh­ler schon mit einer Aktie die Beschlüsse der Haupt­ver­samm­lung gericht­lich anfech­ten zu kön­nen. Das deut­sche Recht setzt m.E. zu sehr auf diese Haupt­ver­samm­lungs-Lösung, deren Schnei­dig­keit vom Frei­ga­be­ver­fah­ren wie­derum kon­ter­ka­riert wird. Diese Beson­der­hei­ten (pro et con­tra) und zahl­rei­che andere Min­der­heits­rechte wer­den in dem Welt­bank-Sze­na­rio nicht abge­bil­det. Das geht auch nicht, pau­schale Ansätze sind jedem Ran­king imma­nent. Frei­lich sollte man sich der begrenz­ten Aus­sa­ge­kraft die­ser Ein­stu­fun­gen bewusst sein (im Gegen­teil wird zuwei­len die Welt­bank-Stu­die pole­misch benutzt, s. den Dis­kus­si­ons­be­richt NZG 2014, 297 bei Fn. 6.).

Übri­gens: Rela­ted Party Tran­sac­tions” sind ein Rege­lungs­feld, dem sich die EU-Kom­mis­sion laut Akti­ons­plan wid­men wird. Wird hier ver­ein­heit­licht, kann die Welt­bank die 28 EU-Staa­ten über einen Kamm scheren.

Der Bei­trag erschien auch im Rechts­board (Handelsblatt/​Der Betrieb) am 31.3.2014.

2 Kommentare

  1. Ganz Ihrer Mei­nung, die Zah­len der Welt­bank sind mit Vor­sicht zu genie­ßen. So heißt es dort, die Ein­tra­gung einer GmbH würde in Ber­lin 7 Tage dau­ern. Das ist falsch bezüg­lich feh­ler­freier Anmel­dun­gen. Diese füh­ren inner­halb von 1 bis 2 Tagen zur Ein­tra­gung, wenn der Vor­schuss gezahlt oder ver­bürgt ist, was allein in der Hand des Antrag­stel­lers liegt. Im Übri­gen: Prü­fun­gen und Bean­stan­dun­gen durch das Gericht, die zu Zeit­ver­zö­ge­run­gen füh­ren, sind der Recht­fer­ti­gungs­grund für die Publi­zi­täts­wir­kung des Han­dels­re­gis­ters, die die Regis­ter in den meist vom angel­säch­si­schen Recht gepräg­ten Län­dern, die im ran­king der Welt­bank füh­rend sind, nur begrenzt haben. Man sollte das ganze ran­king mehr hin­ter­fra­gen. Inter­es­sant, dass die Welt­bank zu einem gro­ßen Teil von der USA finan­ziert wird.

  2. Das ist das Pro­blem einer nicht funk­tio­na­len Rechts­ver­glei­chung nach dem check-the-box- Prin­zip. Die­ser Ansatz ist blind dafür, dass die fremde Rechts­ord­nung das­selbe Pro­blem auch löst, nur mit ande­ren Mit­teln. Dazu tref­fend schon Siems, What Does Not Work in Com­pa­ring Secu­ri­ties Laws: A Cri­tique on La Porta et al.’s Metho­do­logy, (2005) Inter­na­tio­nal Com­pany and Com­mer­cial Law Review 300 – 305.

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