Wie geht es weiter mit den Hauptversammlungen 2022? Das COVID-Maßnahmengesetz („virtuelle HV“) ist auf das Jahresende 2021 beschränkt. Eine Verlängerung durch Rechtsverordnung kommt nicht in Betracht, nur der Bundestag könnte die Geltung per Gesetz auf das nächste Jahr ausdehnen.
Update: Wie man hört soll das am 7.9.2021 in der letzten BT-Sitzung beschlossen werden: Verlängerung bis zum 31.8.2022.
Es ist Bundestagswahl und danach Regierungsbildung, und daher fraglich, ob diese Angelegenheit gleich auf der Agenda des neuen Parlaments steht. Eine Initiative „hinter den Kulissen“, das Aktiengesetz auf die Schnelle zu reformieren, ist erwartbar gescheitert. Also wie geht es weiter?
Ab dem 1.1.2022 gilt (vorbehaltlich einer Verlängerung, s.o.) allein das Aktiengesetz. Nach herkömmlichem Verständnis muss es eine Versammlung mit physischer Präsenz geben, zu der jeder Aktionär (unabhängig von der Aktienanzahl) Zutritt hat. Bei großen Gesellschaften kamen in der Prä-COVID-Zeit viele Tausend in einer Halle zusammen. Wenn für diese Massenveranstaltung im Innenraum die offiziellen 3G-Regeln („geimpft, genesen, getestet“) gelten, ist die Sache klar. Dann kann die Präsenz-Hauptversammlung nur besuchen, wer die Anforderungen erfüllt. Die AG muss bei der Zutrittskontrolle entsprechend verfahren. Eine rechtswidrige Einschränkung des Teilnahmerechts seitens der AG liegt darin nicht, da sie lediglich die öffentlich-rechtlichen Maßgaben umsetzt.
Doch was ist, wenn es 2022 keine amtlichen Restriktionen mehr gibt, sondern die AG selbst solche aufstellt? Oder zwar 3G noch gilt, doch vom Veranstalter auf 2G verengt wird? Derzeit überlegen bzw. praktizieren Konzertveranstalter, Fußballvereine, Clubs usw. die Zugangsbeschränkung auf geimpfte und genesene Personen, also 2G. Übertragen auf die HV der Aktiengesellschaft würde das bedeuten: Ungeimpfte Aktionäre haben keinen Zutritt. Dass es dem Privatveranstalter freisteht, zwischen geimpften und ungeimpften Personen zu unterscheiden (mit einem Fremdwort: zu diskriminieren), ist mit Blick auf die Privatautonomie und sein daraus resultierendes Hausrecht eigentlich selbstverständlich; das AGG spielt hier keine Rolle.
Der Vorstand der AG befindet sich in einer etwas anderen Situation, denn er muss grundsätzlich jeden Aktionär zulassen. Zwar steht das Teilnahmerecht unter dem Vorbehalt, dass der Teilnehmer „sozialadäquat“ erscheint (z.B. wäre eine unbekleidete Person nicht berechtigt). Auch offensichtlich ansteckend kranke Personen sind an der Teilnahme gehindert. Doch Aktionäre ohne Impfschutz sind allein deswegen nicht ansteckend krank – es besteht freilich eine erhöhte Gefahr, dass sie sich untereinander infizieren. Reicht diese abstrakte Selbstgefährdung, das Teilnahmerecht zu versagen? Wird dies bejaht, kommt als Folgefrage, ob der Vorstand dann verpflichtet ist, den Aktionären eine virtuelle Teilnahme nach § 118 Abs. 1 S. 2 AktG zu ermöglichen (entsprechende Satzungsgestaltung vorausgesetzt).
- Über „Das Recht der Aktionäre zur Teilnahme an der Hauptversammlung – Eine Betrachtung aus Anlass der COVID-19-Pandemie – s. Guntermann ZGR 2021, 436 ff.
- Zur Teilnahmebegrenzung in der Pandemie (noch vor der COVID-Maßnahmen-Gesetzgebung) s. Noack/Zetzsche DB 2020, 658 ff.
- Überlegungen de lege ferenda zur Hybrid-HV bei Teichmann/Wicke ZGR 2021, 173 ff („Eine hybride Hauptversammlung, bei der die Präsenzteilnahme auf institutionelle Investoren, Großanleger und Aktionärsvereinigungen beschränkt ist, und den übrigen Aktionären die Ausübung ihrer Rechte auf dem Wege elektronischer Kommunikation eröffnet wird, verbindet das Beste aus beiden Welten“).
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