Aus Sicht der Bundesregierung ist es „unbefriedigend”, dass sich bei Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften eine Gruppe von „professionellen Klägern” herausbildet. Dies teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort (16÷6845) auf eine Kleine Anfrage der FDP (16÷6683) mit. Der Vorschlag, ein Klagequorum einzuführen, werde „in die Prüfung der Lösungsvorschläge einbezogen”. Es stünden diesem Gedanken allerdings „gewichtige Gegenargumente” entgegen: Er würde zur Aufgabe des Anfechtungsrechts als Individualrechtsschutz führen und würde zudem das „Klagegewerbe” nicht hindern, sich mit bestimmten Fonds zusammenzutun, um das Quorum zu erreichen.
Das sind freilich seltsame „gewichtige Gegenargumente”. Selbstverständlich führt das Quorum zur Aufgabe der Individualklage, das ist ja dessen Sinn und Zweck. Also ist dies kein Argument, sondern nur eine gespiegelte Umschreibung des Vorschlags. Das gesuchte Gegenargument müsste darlegen, was für die Beibehaltung der Individualklage spricht.
Die weitere Erwägung, dass „bestimmte Fonds” das Quorum erreichen, ist unbehelflich. Sofern der Mindestanteil erreicht wurde, ist die Klagebefugnis gegeben. Niemand schlägt vor, die Anfechtungsklage schlechthin abzuschaffen.
Da bin ich anderer Meinung, was die Argumentationslast angeht. Wer den Individualrechtsschutz abschaffen will, braucht Argumente, die sich mit dem Sinn und Zweck des Anfechtungsrechts auseinandersetzen. Bislang habe ich hier nur die Mißbrauchsgefahr und den tatsächlichen Mißbrauch dieses Rechts gehört. Das mag stimmen, rechtfertigt aber zunächst nur die Bekämpfung des Mißbrauchs und ist kein Argument für die völlige Abschaffung des Rechts (und die vorgeschlagene Umwandlung in ein Kollektivrecht). Insofern bleibt die Argumentationslast m.E. weiter bei denen, die das Recht abschaffen wollen.
Auch der zweite Einwand der Bundesregierung weist darauf hin, dass es nicht um eine formale Lösung (durch Einführung einer Quote) gehen kann, sondern darum, sich mit den konkreten Indizien für einen Mißbrauch näher zu beschäftigen. Insofern ist das Argument, ein Recht könne auch durch viele mißbraucht werden, durchaus „behelflich”.
Die gegenwärtige Hysterie um aktienrechtliche Anfechtungsklagen ist unverständlich.
Mißbrauchvorwürfe in diesem Zusammenhang sind so alt wie das Aktienrecht selbst. Schon nach der Auffassung des Gesetzgebers der Aktienrechtsreform 1884 war das die Anfechtungsklage „ein zweischneidiges Schwert, welches Chikanen und Erpressungen Thür und Thor öffnet.”
Man vermisst eine Auseinandersetzung damit, um was es inhaltlich bei den Anfechtungsklagen überhaupt geht. Hier einige Beispiele aus der Praxis:
Ein Unternehmen wird an die Börse gebracht, dann über ein Squeeze wieder von der Börse genommen um es dann später wieder (teuer) an die Börse zu bringen
Ein Unternehmen wird zu einem hohen Zukunftswert (27 €) an die Börse gebracht, dann jedoch die Minderheitsaktionäre zu kanpp 7 € herausgedrängt, bevor der Zukunftswert realisiert werden kann.
Aktienrechtlicher Minderheitenschutz wird zunehmend umgangen, indem z.B. Verschmelzungen lediglich dazu benutzt werden, die Squeeze Out Hürde zu überwinden, Delistings um Squeeze Out Vorschriften zu vermeiden, was die 95% Hürde angeht.
Diese Aufzählung liesse sich beliebig fortsetzen, da sie Banalitäten wie fehlerhafte Bankgarantien, willkürlich gesetzte Orte für HVs etc noch gar nicht enthält.
Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass aufgrund der Inhalte der Anfechtungsklagen nur sehr wenige Klagen für den Anfechtungskläger verloren gehen. Viele Klagen werden nur deshalb verglichen, weil die Verfahrensdauer für die Beklagten zu lange erscheinen. Wenn Minderheitsaktionäre jedoch 10 Jahre auf ein Spruchverfahren warten können müssen, erscheint es zumutbar, in einem Anfechtungsverfahren 1 Jahr zu warten.
Worum geht es den Klägern?
Es erstaunt schon, wenn selbst von Personen (Baums, ILF) denen Sachkenntnis nicht abgesprochen werden kann, alle Anfechtungskläger in den Topf Berufskläger geworfen werden. Da wird ein Prof. Wenger ein Herrn Eck oder Freitag, die SdK, Finanzinvestoren (wie im Fall HVB) alle in einen Topf geworfen und mit dem Label „Berufskläger” versehen. Grotesk wird es allerdings dann, wenn in der Baums Studie selbst Kläger, die innerhalb von 3 Jahren zwei Klagen angestrengt haben, als Berufskläger bezeichnet werden. Hier gehen die Zwischentöne verloren.
Ein Ärgernis sind auch immer die sog. Prüfgutachten. Es hat noch nie einen Fall gegeben, wonach der Prüfgutachter das durch das Unternehmen erstellte Gutachten nicht bestätigt hat. Bei der Vielzahl der Fälle und der Vielzahl von obsiegenden Entscheidungen (einschl. Vergleichen) dürfte es hier aus welchen Gründen auch immer, nicht mit rechten Dingen zugehen.
Ärgerlich wird es dann, wenn Politiker und Journalisten von Lobbyisten mißbraucht werden. So darf ein Herr Profumo in der FAZ zu Besten geben, der Schutz von Minderheitsaktionären würde in Deutschland übertrieben und dies schade dem Investitionsstandort Deutschland. Herr Profumo vergißt dabei den Art. 111 des italienischen TU zu erwähnen. Danach hätte der Squeeze Out bei der HVB nach italienischem Recht überhaupt nicht stattfinden können.
Abhilfe?
Zunächst einmal erscheint mir die Rechtsprechung des BGH zur Kostenerstattung von Nebenintervenienten hilfreich.
Weiterhin teile ich die Auffassung von Prof. Wackerbarth, wonach Mißbrauch durch Einige nicht durch Abschaffung elementarer Rechte der Minderheitsaktionäre bekämpft werden darf. Wenn der Mißbrauch im Einzelfall ersichtlich und auch belegbar ist, sind zuerst die Gerichte gefragt und zwar mit schnellen Verfahrenszeiten und Ausnutzung der bestehenden Gesetze unter Einschluss des Freigabeverfahrens. Geschieht dieses, bleibt überhaupt kein Raum für Mißbrauch.