Marcus Lutter †

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Marcus Lutter - Fachbereich Rechtswissenschaft der  Universität Bonn

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Mar­cus Lut­ter ist am 22.6.2021 verstorben.

Aus der Gra­tu­la­tion sei­ner aka­de­mi­schen Schü­ler zum 90. Geburts­tag am 11.12.2020 (Drygala/​Grunewald/​Hommelhoff/​Krieger/​Schneider, NZG 20201419):

Nach der (kaum glaub­haf­ten) Ankün­di­gung zur Voll­endung des ach­ten Lebens­jahr­zehnts, er wolle sich nun vom Unter­neh­mens­recht und sei­ner Fort­ent­wick­lung zurück­zie­hen, blieb Mar­cus Lut­ter zur gro­ßen Freude sei­ner Freunde und Weg­ge­fähr­ten in Wis­sen­schaft und Pra­xis erwar­tungs­ge­mäß unver­än­dert aktiv. Zwar hat er sich aus den Kom­men­tie­run­gen, die im Titel sei­nen Namen tra­gen, mitt­ler­weile ver­ab­schie­det und auch mit sons­ti­gen Bei­trä­gen ist er deut­lich weni­ger häu­fig als frü­her her­vor­ge­tre­ten. Aber den­noch betei­ligt er sich nament­lich auf jenen Fel­dern, deren Pflege ihm schon seit Jahr­zehn­ten beson­ders am Her­zen liegt, weit­hin wahr­nehm­bar bis in diese Tage hin­ein am Gespräch der Unter­neh­mens­recht­ler mit dem ihm immer schon eige­nen Ziel, den Fort­gang die­ses Gesprächs und seine Erkennt­nisse zu beein­flus­sen. So erhält Mar­cus Lut­ter noch ein Vier­tel­jahr­hun­dert nach sei­ner Eme­ri­tie­rung an der Bon­ner Fakul­tät das Bild von ihm, geschaf­fen in den drei­ßig Jah­ren davor, in unver­bli­chen fri­schen Farben.

Noch immer steht er in den Augen vie­ler als der­je­nige an der Spitze, der mit dazu bei­getra­gen hat, das Recht des Auf­sichts­rats und sei­ner Arbeit zu durch­drin­gen, es für die Pra­xis trans­pa­rent und hand­hab­bar zu machen. Erin­nert sei nur an die Abhand­lun­gen zu den Inter­es­sen­kon­flik­ten von Auf­sichts­rats­mit­glie­dern und ihrer Bewäl­ti­gung, an das bahn­bre­chende Grund­la­gen­werk Infor­ma­tion und Ver­trau­lich­keit des Auf­sichts­rats“ sowie an das Stan­dard­werk Rechte und Pflich­ten des Auf­sichts­rats“, das aktua­li­siert bis in die jüngste Zeit, die Unter­neh­mens­pra­xis seit nun­mehr 40 Jah­ren beglei­tet. Und wenn Gesetz­ge­ber, Gerichte und Ver­wal­tungs­be­hör­den die Auf­sichts­rats­ar­beit, vor­züg­lich die in Bör­sen­ge­sell­schaf­ten, seit der Jahr­tau­send­wende durch­grei­fend pro­fes­sio­na­li­siert haben, so hat Mar­cus Lut­ter mit zahl­rei­chen Impul­sen mit dazu beigetragen.

Einen nicht min­der für Wis­sen­schaft und Pra­xis bedeut­sa­men Anschub hat er dem Kon­zern­recht mit der Beschrei­bung sei­ner orga­ni­sa­to­ri­schen Her­aus­for­de­run­gen gege­ben, mit der kon­zern­di­men­sio­na­len Erstre­ckung der Kom­pe­ten­zen der Organe in der Kon­zern­mut­ter und mit der Ver­knüp­fung der Organ­zu­stän­dig­kei­ten im Kon­zern. Kon­zern­recht ist Schutz- und Orga­ni­sa­ti­ons­recht zugleich. Auf die­ser Erkennt­nis Lut­ters baut heute im euro­päi­schen Dis­kurs das Pos­tu­lat auf, Kon­zern­recht als enab­ling law“ zu begrei­fen und zu regu­lie­ren. Dane­ben hat Mar­cus Lut­ter gewich­tig mit dazu bei­getra­gen, die Rozenblum“-Formel der fran­zö­si­schen Cour de Cas­sa­tion in den EU-Mit­glied­staa­ten bekannt zu machen und sie als Instru­ment, um den Wider­streit zwi­schen Kon­zern- und Toch­ter­ei­gen­in­ter­esse zu lösen, rechts­dog­ma­tisch und rechts­po­li­tisch an vie­len Orten zu diskutieren.

Der euro­päi­schen Dimen­sion des Unter­neh­mens­rechts hatte sich Mar­cus Lut­ter von Anbe­ginn sei­ner wis­sen­schaft­li­chen Kar­riere schon in der rechts­ver­glei­chen­den Stu­die zum Kapi­tal­schutz in den damals sechs Mit­glied­staa­ten der EWG ver­schrie­ben, mit der er sich 1964 in Mainz habi­li­tierte und deren Gedan­ken viel­fach Auf­nahme in die Kapi­tal­richt­li­nie gefun­den haben. Neben zahl­rei­chen Bei­trä­gen zum Unter­neh­mens­recht der Gemein­schaft und spä­ter der Union, so etwa zum Recht der Euro­päi­schen Akti­en­ge­sell­schaft, war und ist es vor allem die umfas­send erläu­terte Samm­lung unter­neh­mens­recht­li­cher EU-Rechts­akte, als Euro­päi­sches Unter­neh­mens- und Kapi­tal­markt-recht“ mitt­ler­weile in 6. Auf­lage erschie­nen, die sein Enga­ge­ment und sei­nen Ruf als der Ver­tre­ter des euro­päi­schen Unter­neh­mens­rechts in sei­ner Genera­tion strah­lend bele­gen. Des­halb war es Mar­cus Lut­ter, dem Initia­tor und Mit­be­grün­der der ZGR, ein beson­de­res Anlie­gen, neben die­ser Zeit­schrift eine ver­gleich­bare mit euro­päi­scher Dimen­sion zu schaf­fen. Nach bald zwei Jahr­zehn­ten immer neuen Bemü­hens war er mit der ECFR auch inso­weit erfolgreich.

Den Kon­takt mit der Rechts­po­li­tik hat Mar­cus Lut­ter nie gescheut – sei es als Mit­glied der Unter­neh­mens­rechts­kom­mis­sion, der Kom­mis­sion Deut­scher Cor­po­rate Gover­nance Kodex oder als Prä­si­dent des Deut­schen Juris­ten­tags. Dabei ist ihm die Befä­hi­gung zu ele­gan­ter, kla­rer und, wenn es sein muss, schar­fer For­mu­lie­rung in bild­haf­ter Spra­che gewiss zugu­te­ge­kom­men, davor aber noch seine Grund­über­zeu­gung, wie er sie in sei­nem Bei­trag Der Aktio­när in der Markt­wirt­schaft“ 1974 deut­lich zum Aus­druck gebracht hat: Der Aktio­när sei nicht bloß Kapi­tal­lie­fe­rant, son­dern habe wei­ter­ge­hend zen­trale Auf­ga­ben im Sys­tem einer dezen­tra­len und sich selbst regu­lie­ren­den und orga­ni­sie­ren­den Markt­wirt­schaft – eine Ein­sicht, die sehr bald wie­der in der Dis­kus­sion um die vir­tu­elle Haupt­ver­samm­lung Bedeu­tung gewin­nen könnte.

Aus die­sem Bekennt­nis zur Funk­tion des Aktio­närs spricht der stolze Bür­ger Mar­cus Lut­ter, der sich auch ander­weit sei­ner Ver­ant­wor­tung bewusst war – so im Bemü­hen um die ver­trie­be­nen Unter­neh­mens­recht­ler Clive Schmitt­hoff, Ernst Stie­fel und Ste­fan Rie­sen­feld mit dem Ziel, ihr erlit­te­nes Unrecht in Erin­ne­rung zu hal­ten, und so in der Mit­be­grün­dung und im Betrieb der Schule des deut­schen Rechts in War­schau, um jun­gen pol­ni­schen Juris­ten die Tore zu Europa zu öffnen.”

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