Als am 18.4.2019 das Europäische Parlament die Richtlinie zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen (Mobilitäts-RL) in erster Lesung angenommen hat, waren weniger als 12 Monate seit der Veröffentlichung des Kommissionsvorschlags vergangen. Obgleich die grundlegenden Regelungsansätze für sämtliche „grenzüberschreitende Vorhaben“ (Erwägungsgrund Nr. 10) beibehalten wurden, enthält der Kompromisstext im Vergleich zum Kommissionsvorschlag durchaus bedeutsame Änderungen. Eine solche stellt mit Blick auf die grenzüberschreitende Spaltung die Aufnahme der Ausgliederung („Spaltung durch Trennung“) in den Anwendungsbereich dar (Art. 160b Abs. 3 lit. c Mobilitäts-RL).
Hinsichtlich des Berichts ist einerseits hervorzuheben, dass sich die Gesellschaften künftig für die Erstellung eines einheitlichen Berichts für Gesellschafter und Arbeitnehmer entscheiden können. Andererseits eröffnet der Kompromisstext den Mitgliedstaaten nun die Möglichkeit, eine Bereichsausnahme für Einpersonengesellschaften einzuführen (Art. 86e Abs. 4 S. 2; Art. 124 Abs. 3a S. 2; Art. 160g Abs. 4 S. 2 Mobilitäts-RL). Eine entsprechende Gestaltungsoption sieht die Richtlinie für die Prüfung des Vorhabens durch einen Sachverständigen vor (Art. 86g Abs. 3 S. 2; Art. 125 Abs. 4 S. 2; Art. 160i Abs. 3 S. 2 Mobilitäts-RL). Nicht festgehalten wurde insoweit an der Bereichsausnahme für Kleinst- und kleine Unternehmen. Hingegen ist die Prüfung sowie die Erstellung eines Sachverständigenberichts – entsprechend der bereits für die grenzüberschreitende Verschmelzung vorgesehenen Bestimmung (Art. 125 Abs. 4 GesR-RL) – entbehrlich, wenn alle Gesellschafter darauf verzichten (Art. 86g Abs. 3 S. 1; Art. 160i Abs. 3 S. 1 Mobilitäts-RL). Angepasst wurden ferner die Vorgaben zur Offenlegung. Insbesondere können die Mitgliedstaaten jetzt entscheiden, ob der Bericht des unabhängigen Sachverständigen offenzulegen ist oder nicht (Art. 86h Abs. 1; Art. 123 Abs. 1; 160j Abs. 1 Mobilitäts-RL). Beibehalten wurde das Mittel der Wahl zur Verhinderung missbräuchlicher Vorhaben. Im Zusammenhang mit der Erteilung der Vorabbescheinigung wird künftig geprüft, ob das grenzüberschreitende Vorhaben „missbräuchlichen oder betrügerischen Zwecken, die dazu führen oder führen sollen, sich nationalen Rechtsvorschriften oder EU-Rechtsvorschriften zu entziehen oder sie zu umgehen, oder (zu) kriminellen Zwecken dient“ (Art. 86m Abs. 8; Art. 127 Abs. 8; Art. 160o Abs. 8 Mobilitäts-RL). Mit Hilfe ausführlicher Erwägungsgründe wurde versucht, die Missbrauchsprüfung zu konturieren.
In Bezug auf den Gläubigerschutz bleibt es bei der Ermächtigung der Mitgliedstaaten, ihre Gesellschaften zu verpflichten, im Plan eine Solvenzerklärung aufzunehmen. Zusätzlich können die Gläubiger vorab angemessene Sicherheiten beantragen. Die Gläubiger müssen nun allerdings nachweisen, dass die Befriedigung ihrer Forderungen durch das grenzüberschreitende Vorhaben gefährdet ist und sie von der Gesellschaft keine angemessenen Sicherheiten erhalten haben (Art. 86k Abs. 1; Art. 126b Abs. 1; Art. 160m Abs. 1 Mobilitäts-RL). Speziell für die grenzüberschreitende Spaltung wurde die bereits im Kommissionsvorschlag vorgesehene (eingeschränkte) gesamtschuldnerische Ausfallhaftung beibehalten (Art. 160m Abs. 2 Mobilitäts-RL). Hinzugekommen ist für den grenzüberschreitenden Formwechsel ein prozessualer Gläubigerschutz in Form einer Gerichtsstandperpetuierung im Wegzugsstaat für die Dauer von zwei Jahren nach Wirksamwerden der Umwandlung (Art. 86k Abs. 4 Mobilitäts-RL).
Dem Schutz der Minderheitsgesellschafter dient weiterhin vor allem ein Austrittsrecht gegen Barabfindung. Es steht künftig allerdings nur solchen Gesellschaftern zu, die gegen das grenzüberschreitende Vorhaben gestimmt haben (Art. 86j Abs. 1; Art. 126a Abs. 1; Art. 160l Abs. 1 Mobilitäts-RL). Für grenzüberschreitende Verschmelzungen und Spaltungen stellt der Richtlinientext zudem nun klar, dass nur solchen Gesellschaftern ein Austrittsrecht gewährt werden muss, die infolge der Verschmelzung bzw. Spaltung Anteile erwerben würden, die dem Recht eines anderen Mitgliedstaates unterliegen würden. Der bereits im Kommissionsvorschlag vorgesehene Ausschluss von Klagen betreffend die Angemessenheit der Barabfindung gilt nun auch dann, wenn der klagende Gesellschafter sich nicht direkt gegen die Angemessenheit wendet, sondern sich auf bewertungsbezogene Informationsmängel stützt (Art. 86i Abs. 5 lit. a i.V.m. lit. b; Art. 126 Abs. 4 lit. b i.V.m. lit. d; Art. 160k Abs. 5 lit. b i.V.m. lit. c Mobilitäts-RL).
Um den Schutz der von einem grenzüberschreitenden Vorhaben betroffenen Arbeitnehmer zu gewährleisten, etabliert die Mobilitäts-RL mehrere Mechanismen. Verbessert wurden die Schutzverkehrung mit Blick auf die unternehmerische Mitbestimmung insoweit, als nun für sämtliche grenzüberschreitende Vorhaben eine Verhandlungspflicht bereits dann ausgelöst wird, wenn lediglich 4/5 des nationalen Schwellenwertes für die Mitbestimmung erreicht sind (Art. 86l Abs. 2; Art. 133 Abs. 2; Art. 160n Abs. 2 Mobilitäts-RL). Eine wesentliche Neuerung im Zusammenhang mit dem Schutz der Arbeitnehmer stellt schließlich die Einführung einer Pflicht zur Anhörung und Unterrichtung der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit allen drei grenzüberschreitenden Vorhaben dar (Art. 86ka; Art. 126c; Art. 160ma Mobilitäts-RL).
Gastbeitrag von Dr. Julia Kraft.
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