Gastbeitrag von Prof. Dr. Heribert Hirte (MdB):
In der öffentlichen Diskussion um das europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen TTIP (aber auch andere) stößt die beabsichtigte Zuweisung etwaiger Streitigkeiten an Schiedsgerichte, das sogenannte „Investor-Staat-Schiedsverfahren”, auf besondere Kritik.
Zunächst einmal ist dies gerade in Deutschland besonders gut verständlich: Denn das Vertrauen der Deutschen in ihre Justiz ist groß, und ebenso groß ist — jedenfalls bei vielen Bürgern — das Vertrauen darauf, dass der Staat eine Aufgabe besser bewältigen kann als Private. Gleichzeitig handelt es sich aber bei den aus Freihandelsabkommen folgenden Streitverfahren um komplexe (und zudem sehr umfangreiche) wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten auf höchstem Niveau — und zudem mit grenzüberschreitendem Bezug. Wirtschaftsrechtliche und insbesondere wirtschaftswissenschaftliche Kenntnisse gehören aber (leider) nicht zum Standardrepertoire vieler deutscher Richter, und die Justizverwaltungen tun sich auch schwer damit, die erforderlichen Ressourcen, etwa in Form von Schulungen, bereitzustellen. Das hat etwa die Diskussion um die jüngste Insolvenzrechtsreform gezeigt. Was rechtsvergleichende oder gar fremdsprachliche Arbeit in der deutschen Justiz angeht, sieht es nicht viel besser aus. Zudem sind deutsche Zivilgerichte schon heute an der Kapazitätsgrenze angelangt – der durchschnittliche Landrichter hat deutlich mehr als 100 Verfahren auf seinem Schreibtisch liegen. Man kann sich also vorstellen, mit welcher Begeisterung (und Intensität) ein transnationales Verfahren mit einem Aktenumfang von mehreren Umzugskisten von einem einzelnen (möglicherweise frisch von der Uni kommenden) Richter bearbeitet werden wird. Wenn man trotz eines solchen Befundes großes Vertrauen in die wirtschaftsrechtliche und internationale Kompetenz deutscher Gerichte hat, wäre die Ausklammerung einer einheitlichen Neuregelung von internationalen Schiedsgerichtsverfahren aus den Abkommen zu begrüßen — und sollte auch auf eine künftig bessere finanzielle Ausstattung hoffen lassen.
Aber wer Schiedsverfahren für ein europäisch-amerikanisches Freihandelsabkommen ablehnt, übersieht noch mehr: Zum einen wären in einem solchen Fall auf europäischer Seite ja nicht nur die hoch angesehenen und trotz der genannten Vorbehalte durchaus gut qualifizierten deutschen Gerichte zu Urteilen berufen, sondern gleichermaßen auch die aller anderen europäischen Mitgliedstaaten. Hier gibt es aber durchaus Staaten und Regionen, in denen Qualität und Ausstattung der Justiz auch auf absehbare Zeit nicht mit der unsrigen vergleichbar sind. Beispielsweise vermeiden selbst wohlmeinende (Nord-)Italiener das Prozessieren an süditalienischen Gerichten, es sei denn, sie suchen einen Weg zur Rechtsverweigerung. Wer sich im europäisch-amerikanischen Kontext daher gegen Schiedsverfahren wendet, mutet dem anderen Teil eine erhebliche Rechtsunsicherheit zu — und muss sich der Konsequenzen dieser Forderungen daher auch bewusst sein. Ein klar reguliertes System von einheitlichen Schiedsgerichtsverfahren kann hingegen gleiche Standortbedingungen in ganz Europa bedeuten.
Zum Zweiten: Es ist nachvollziehbar, den eigenen Justizstandort gegen eine Aushöhlung durch Schiedsgerichte verteidigen zu wollen. Aber das muss dann selbstverständlich in beide Richtungen gelten. Deutsche (und europäische) Unternehmen wären daher spiegelbildlich verpflichtet, ihre Ansprüche und Forderungen wegen Verletzungen des Freihandelsabkommens vor nationalen und regionalen US-Gerichten durchzusetzen. Das wäre vielen Amerikanern sicher willkommen, da es keinem Amerikaner in den Sinn käme, die mangelnde Rechtsstaatlichkeit der eigenen Justiz in Frage zu stellen. Nur: Wer jemals vor US-Gerichten geklagt hat, weiß, welchen Aufwand und welche Kosten dies mit sich bringt. Eine Erstattung der Prozesskosten des obsiegenden Teils in einem Verfahren etwa gibt es in den Vereinigten Staaten grundsätzlich nicht. Zudem ist eine gewisse Tendenz in Urteilen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten – denken wir nur an Ausschreibungsverfahren, bei denen im ersten Durchgang europäische Firmen gewonnen haben (Stichwort Tankflugzeuge für die US Air Force) – nicht zu verhehlen. Wer also in Europa streitenden amerikanischen Unternehmen die deutsche (bzw. europäische) Justiz „anbietet”, muss wissen, dass er damit spiegelbildlich deutschen (und europäischen) Unternehmen die lokale US-Justiz „zumutet”. Wirtschaftliches Verständnis mag dort durchaus mehr als in deutschen Gerichten vorhanden sein, aber rechtsvergleichendes Verständnis oder gar Fremdsprachenkenntnis sind dort (noch) weniger vorhanden als in europäischen Gerichten. Auch darf nicht vergessen werden, dass Richter in den USA häufig direkt vom Volk gewählt werden und sich daher (auch) ihren Wählern direkt verpflichtet fühlen. Zudem ist es nicht auszuschließen, dass ein Prozess am Ende vor einem der einzelstaatlichen Gerichte verhandelt wird, die in Sachen Protektionismus durchaus einen guten Ruf haben.
Die einfache „Verteufelung von Schiedsverfahren” für die Bewältigung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit Freihandelsabkommen hilft aber nicht weiter. Was wir brauchen, ist ein Ansatz, der die teilweise durchaus berechtigten Bedenken gegen solche Verfahren aufgreift und andererseits einen für die Investoren auf beiden (!) Seiten des Atlantiks verlässlichen Rechtsrahmen bereit hält. Die EU-Kommission ist, wie die von Ende März bis Ende Juni 2014 durchgeführte öffentliche Konsultation zeigt, hierfür offen und will entsprechende Anregungen in die weiteren Verhandlungen einfließen lassen.
Als „vermittelnder Ansatz” hierfür bietet sich zunächst an, in die vorgeschlagene Liste von Schiedsrichtern seitens Deutschlands nur deutsche Berufsrichter – besser noch nur Bundesrichter – zu wählen. Das könnte unschwer durch den Deutschen Bundestag erfolgen, wo es für die Wahl der Bundesrichter und Bundesverfassungsrichter einen bewährten gesetzlichen Rahmen gibt. Rechtlich ließe sich das im entsprechenden Begleitgesetz zur Ratifikation des Abkommens regeln, möglicherweise sogar, ohne dass es dafür einer ausdrücklichen „Öffnung” im Abkommen selbst bedürfte.
Gelingt die Bestellung eines Schiedsrichters bzw. die Einigung auf einen Vorsitzenden nicht, bietet sich die Einbeziehung der beiden Institutionen an, welche auf beiden Seiten des Atlantiks geschaffen wurden, um das Vertrauen in die Justiz in grenzüberschreitenden Sachverhalten sicherzustellen. Das ist auf der europäischen Seite der Europäische Gerichtshof, dessen Ziel es ja gerade ist, durch Einbeziehung von Richtern aus ganz Europa ein von Nationalismus und Protektionismus freies und einheitliches europäisches Recht zu erhalten. Auf der anderen Seite ist dies die US-amerikanische Bundesgerichtsbarkeit mit dem US Supreme Court an ihrer Spitze, welche schon länger auf amerikanischem Boden ähnliche Ziele verfolgt. Natürlich könnten die entsprechenden Entscheidungen über mögliche Schiedsrichter auch an einzelne Kammern delegiert werden. Eine Richterbestellung für Streitigkeiten aus einem europäisch-amerikanischen Freihandelsabkommen ist daher in den gemeinsamen Händen dieser beiden hochangesehenen Institutionen — etwa in Form eines Euro/US-Supreme Court für Wirtschaftsrecht gut vorstellbar. Das hohe Vertrauen in das eigene Justizsystem, die Souveränität der Staaten und der notwendige Investorenschutz ließen sich auf diese Weise miteinander versöhnen. Und selbstverständlich ließen sich diese Institutionen im Rahmen eines denkbaren Instanzenzuges auch weitergehend zur Kontrolle etwaiger Schiedssprüche einbeziehen.
TTIP ist bei der Art und Weise, in der die Verhandlungen bekannt werden überflüssig wie ein Kropf. Wenn man schon transatlantische Verhandlungen zum Freihandel führen will, dann muss das unter ständiger Einbeziehung nicht nur des Parlamentes, sondern der gesamten betroffenen Öffentlichkeit stattfinden. Und nicht ein Verhandeln durch einzelne Leute (die nichteinmal von den Betroffenen gewählt wurden) hinter verschlossenen Türen, die dann vor dem Parlament eine Friß oder Stirb-Präsentation veranstalten. Und wenn man schon etwas verhandeln will, dann sollte man das auch auf solider Basis angehen und nicht mit Phantasiezahlen hantieren, was das potentielle Wachstum angeht. Zumal — Schlusspunkt insoweit — wie groß kann eigentlich der gestreckte Mittelfinger der „fuck the EU”-USA auch in Sachen Spionage gegenüber der Bevölkerung, der Wirtschaft und der Politik noch werden, bevor die Politiker die USA die USA sein lassen und die Verhandlungen abbrechen? Der an die USA übermittelte Fragenkatalog des BMI ist nach wie vor unbeantwortet — trotz inzwischen wenn mich nicht alles täuscht dreier Nachfragen?
Mir schwillt zudem auch noch der Kamm, wenn die Kommission nach massiven öffentlichen Protesten gegen die Art und Weise der Verhandlungsführung eine „Transparenzoffensive” zu den Verhandlungen startet, dann eine öffentliche Konsultation startet und sich anschließend beschwert, dass zu viele Menschen ihre Meinung zu dem geplanten Abkommen (jedenfalls der Teile, die ohne Willen der Kommission öffentlich bekannt wurden) übermittelt haben.
Wie kann man eigentlich als denkender Mensch auf die Idee kommen, dass einem Wirtschaftsunternehmen seine grenzüberschreitenden Investitionen [durch die Politik auf Kosten der Steuerzahler] abgesichert werden müssen? Ich dachte immer, dass in den Unternehmen fähige Leute arbeiten, die Investitionen auf Grund von wirtschaftlichen Analysen tätigen (und diese Investitionen zugleich absichern) und nicht auf Grund einer rein spekulativen Erwartungshaltung (die sie sich anschließend wirtschaftlich vergolden lassen können, wenn sich an den rechtlichen Rahmenbedingungen etwas geändert haben sollte).
TTIP ist ein Lehrstück, wie man es als Kommission — und auch als Politiker — nicht machen sollte. Ich wage eine kleine Prognose: wenn TTIP — in der geplanten Form — verabschiedet werden sollte, dann wird es für die Verantwortlichen und befürwortenden Politiker (und da schließe ich den Autor der obigen Zeilen durchaus mit ein) jahrelang so massiven öffentlichen Gegenwind im Schwerpunkt aus der jungen Generation geben, dass Hören und Sehen vergehen wird.
Wie stehen Sie eigentlich dazu, dass nach Auffassung der KOM die Zustimmung der nationale Parlamente zu dem Abkommen entbehrlich ist?
Sie sprechen viele Fragen an. Was zunächst die Zustimmung der nationalen Parlamente angeht, kommt es auf den endgültigen Inhalts des Abkommens an. Viel spricht dafür, dass dann am Ende die nationalen Parlamente zuzustimmen haben. Für die Richterauswahl habe ich mich ja schon klar dafür ausgesprochen.
Und zu Schiedsverfahren: Wenn Sie sich ein wenig mit grenzüberschreitenden Investitionen beschäftigen, werden Sie wissen, dass insbesondere die US-Einzelstaaten kein Kind von Traurigkeit sind, wenn es darum geht, rechtliche Regelungen zu Lasten von ausländischen Investoren nachträglich zu verändern. Die hochqualifizierte staatliche Justiz findet dann nicht selten „gute Gründe”, dies zu legitimieren. Mit vorhersehbaren wirtschaftlichen Risiken hat das nichts zu tun.
Die weiteren von Ihnen angesprochenen Fragen sind wichtig. Aber ihre Beantwortung würde hier den Rahmen sprengen.
So skeptisch wäre ich bezüglich der internationalen und wirtschaftlichen Ausrichtung deutscher Richter nicht. Allein in meinem kleinen Amtsgericht arbeiten zwei ehemaliger Partner internationaler Großkanzleien und mehrere Richter, die über mehrere Jahre als associates in derartigen Kanzleien tätig waren. Und natürlich haben auch andere Richter Erfahrungen mit „großen” Fällen, die ja derzeit auch vor deutschen staatlichen Gerichten verhandelt werden, vielleicht mehr als deutsche Professoren, die als Schiedsrichter eingesetzt werden.
Deshalb halte ich es ja auch für denkbar, deutsche Berufsrichter (oder auch nur Bundesrichter) zu Schiedsrichtern zu machen. Nur würde das eine gewisse Vorauswahl gerade mit Bezug auf die von Ihnen genannten Sprachkenntnisse vorsussetzen.
Zum Gastbeitrag von Heribert Hirte:
Ich schätze die Äußerungen des Beitragenden sehr. Hier springt er aber zu kurz.
Die Frage nach dem Investitionsschutz andere Unternehmen, die Ihren Sitz nicht im Investitionsionsgebiet haben, lässt sich nicht mit dem Hinweis lösen, man könne ja hoch besoldete Richter des jeweiligen Rechtskreis für die „internationale” Schiedsgerichtsbarkeit abstellen und damit die Frage lösen.
Bei den Diskussion um den Investitionsschutz geht es um weit mehr.
Um mal ein paar Punkte aufzuzählen:
1. Mit welchem Recht kann man nationale oder europäische Unternehmen das Recht verweigern, nicht die gleichen Investitionsrechte gegen über ihrem Mutterland geltend zu machen, wenn deren Investitionsvisionen genau so enttäuscht werden, wie die Aussichten ihres amerikanischen Mitwettbewerbers.
Wer ein praktisches Beispiel benötigt, mag bei der Bundesregierung mal nach dem Stand der Verhandlungen der Firma Vattenfall gegen BRD, vor internationalem Schiedsgericht in New York und den Verfahren RWE u.a. gegen BRD vor diversen deutschen Gerichten wegen des letzen Atomausstieges sich bemühen. Dabei mag man mit den deutschen Energiekonzernen auch darüber reden, ob sie es nicht vorzögen, nicht auch lieber die Schiedsgerichte anzurufen. Aus Sicht der hiesigen Unternehmen ist die Rechtslage für sie eher schlechter als besser im Vergleich zum Beispielsfall: Vattenfall und RWE u.a..
Die wirtschaftrechtlich beratenden Berufsstände könnten in der Zukunft dann dem europäischen Unternehmen dann empfehlen, risikoreiche Investitionen von einem verbundenen Unternehmen aus Amerika hier zu platzieren.
2. Wer in Deutschland sich heute gegen Schiedsgerichtsklauseln in Handelsabkommen wendet, sollte wissen, dass diese Klauseln und zwar in weitaus härterer Art, als jetzt verhandelt, zu den deutschen Standards bei bilateralen Handelsabkommen zählt. Wir sind also keine Unschuldigen oder Unbedarfte.
3. Zu welchen Kapriolen solche Verfahren führen können, erlebt gerade Argentinien, die über 12 Jahren nach ihrer letzten Staatspleite von den Rechtsnachfolgern der damaligen Gläubiger, die dem damaligen Schuldenschnitt nicht beigetreten sind, nun mit Erfolg in den USA verurteilt wurden, die Forderungen auszugleichen und nun die Vollstreckungsmaßnahmen der obsiegenden Rechtsnachfolger der Kapitalinvestituren aushalten müssen. Argentinien ist zurzeit zahlungsunfähig.
Das ist zwar nicht unbedingte Folge eines Handelsabkommens, was ich auch nicht behaupte, ich möchte nur auf die möglichen Folgen eines Schiedsverfahren hinweisen. Die Folgen eines solchen Schiedsverfahren, können aber für die Volkswirtschaften verherrend sein, weswegen man hier auch genauer hinsehen sollte. Denn jeder Bürger kann von den Verfahren mittelbar schwer getroffen werden, wie die Argentinier nun erfahren.
4. Damit verträgt sich dann aber der in Unternehmenskreisen so sehr gewünschte Umstand, dass die Schiedsgerichte nicht öffentlich tagen und man über den Stand nicht berichtet.
In solchen Sachen — die „res publica” sind — ein Unding. Fehler der Politik treffen hier den Bürger, dann sollte er auch informiert sein.
5. So dann habe ich bisher in keinem Handelsabkommen eine vernünftige Regelung für den Fall gesehen, dass der andere Vertragsstaat, die Option erhalten kann, unbeschadet des Handelsabkommens eine von ihm für sinnvoll erachtete Industriepolitische Maßnahme Schadensersatzfrei durchführen zu können.
Man denke nur in die 70er Jahre zurück, in der u.a. Frankreich, Spanien, Deutschland und andere europäische Staaten als politische Entscheidung die zu nächst hoch subventionierte AIRBUS Industrie gegen die US Konzerne BOING u.a. aufbauten. Wie sollte dass nach Abschluss des TTIP nochmal funktionieren?
Etwa angedacht in einer eigenständigen europäischen EDV-Software und Hardware Initiative zur Erhaltung eines durch die öffentliche Hand gestützten Investitionsvorhabens zum Schutze der „Digitalen Selbst- und Unabhängigkeit” gegen google, microsoft, apple, aol u.v.a. mehr. Wie soll so etwas nach TTIP noch gehen?
6. Die angesprochene Frage des Autors zur Gerichtsbarkeit ist auch halbherzig gelöst.
Die Qualität der Richter für diese Tätigkeit findet man nicht nur bei Bundesrichtern. Das verwischt nur die drängende Fragen, der Unbahängigkeit, der Öffentlichkeit dieser Gerichtsbarkeit.
Die Zahl der Verfahren ist in den letzten 20 Jahren enorm gestiegen, man kann also nun durchaus auch ständige Schiedsgerichte einrichten. Dabei könnte auch über eine ständige Gerichtsordnung nebst Prozessordnung nachgedacht werden.
Die Unabhängigkeit kann durch eine langjährige feste Verpflichtung des Richters gestärkt werden — ohne das Recht zur Wiederwahl und der Pflicht nach Abschluss der Tätigkeit in den Ruhestand zu gehen. Eine spätere Tätigkeit des Richters für Industrie oder Staat, wäre nicht vertrauensfördernd.
Die Sitzungen des Gerichts sollten Öffentlich sein.
Gewählt werden könnten alle zum Richter berufenen Absolventen, wenn sie mindestens 10 Jahre Tätigkeit in einem Rechtsfragen betreffenden Beruf absolviert haben und von einem internationalen Gremium vorgeschlagen werden.
Gelöst werden sollte auch die Frage eines Rechtsmittels gegen die Urteile der Schiedgerichtsbarkeit, die in der Regel kein Rechtsmittel kennen.
Mitverfolgtes Ziel sollte die Schaffung eines Muster für ein übernationale allgemeine Staat / Unternehmens Gerichtsbarkeit.
Bei dem ganzen muss aber die politische Handlungsfähigkeit der öffentlichen Körperschaften, also am Ende die Politikfähigkeit des Bürgers, bestehen bleiben. Der Rechtsstaat bleibt nur solange bestehen, wie er den Bürgern die Teilnahme am poltischen Leben schützt.
Das sollte man bei der Diskussion nicht aus den Augen verlieren. Die betroffenen Körperschaften sollten bei TTIP darauf drängen, das sie ein Zustimmungsrecht zum Abkommen haben, dringt dieses doch tief in die Kompetenzen der Art. 70 ff GG ein.
Gisbert Blum
Da ist vieles richtig — geht aber über meine Vorschläge zu einer begrenzten Frage hinaus. Deshalb hier nur eine Anmerkung zu Ihrer Nummer 1: Ja, es ist nicht gerecht, wenn im innerstaatlichen Bereich in Fällen kein Schadenersatz geleistet wird, in denen er in einer grenzüberschreitenden Konstellation gewährt wird. Deshalb fordert die CDU seit Langem eine Reform des (nationalen) Staatshaftungsrechts.
Und vielleicht noch eine Anmerkung zu Nr. 6: Natürlich kann man auch die Öffentlichkeit von Schiedsverfahren vorsehen!
Bei allen Überlegungen — das zeigt auch die heutige Debatte über CETA im Bundestag — darf es am Ende nicht heißen:
„Alle Macht geht vom Volke aus, soweit kein Investorenschutz dagegen steht.”
Welcher CDU-Entwurf hier bei der Reform des Staatshaftungsrechtes gemeint ist, ist mir leider nicht klar. Aber der Hinweis ist im Hinblick auf die betroffenen Gesetzgebungskompetenzen doch hilfreich. Eingedenk der damaligen Verwerfung der verabschiedeten Gesetzesreform zum Staatshaftungsrechtes durch den Bundpräsidenten Carl Carstens, der das Bundesgesetz unter Hinweis auf die verletzten Gesetzgebungskompetenzen der Bundesländer nicht ausfertigte, dürfte auch bei einem solchen Eingriff durch ein Abkommen, die Länderkammern einem solchen Akt zustimmen müssen.
Ob der EU-Kommissar das auch so sieht? Da bestehen erhebliche Zweifel.
Die TTIP Problematik auf die in möglichen Schiedsverfahren handelnden Personen zu beschränken, dürfte zu kurz greifen.
Hier wird auch nur ein Vorschlag zu einem, aber durchaus entscheidenden Aspekt gemacht. Natürlich gibt es viele weitere wichtige Fragen!
Vorab: Ich bin bei Weitem kein Fachmann für US-amerikanisches Prozessrecht. Allerdings scheint mir das Argument
„Auch darf nicht vergessen werden, dass Richter in den USA häufig direkt vom Volk gewählt werden und sich daher (auch) ihren Wählern direkt verpflichtet fühlen. Zudem ist es nicht auszuschließen, dass ein Prozess am Ende vor einem der einzelstaatlichen Gerichte verhandelt wird, die in Sachen Protektionismus durchaus einen guten Ruf haben.”
doch etwas fernliegend vor dem Hintergrund von Art. 3 § 2 der US-Verfassung:
Danach erstreckt sich die Zuständigkeit der Bundesgerichte auf:
„…all cases, in law and equity … between a state, or the citizens thereof, and foreign states, citizens or subjects…”
Damit wäre man bei internationalen Streitigkeiten (um die es hier wohl geht) in jedem Fall vor den Bundesgerichten (notfalls per Verweisungsantrag).
Nun ist es aber so, dass nach Art. II § 2 der US-Verfassung gilt, dass alle Richter in der Bundesgerichtsbarkeit vom Präsidenten mit Zustimmung des Senats (auf Lebenszeit) ernannt werden.
Der Einwand, dort säßen opportunistische Protektionisten ist vor diesem Hintergrund nicht recht einsehbar (näher hätte es gelegen, auf das Recht auf eine Jury-Verhandlung zu verweisen — dieses besteht nämlich vor den Bundesgerichten, vgl. 7th Amendment: „In Suits at common law, where the value in controversy shall exceed twenty dollars, the right of trial by jury shall be preserved, and no fact tried by a jury, shall be otherwise re-examined in any Court of the United States, than according to the rules of the common law”).
Viele Grüße
Michael Beurskens
Sie haben völlig recht. In erster Linie sind die Bundesgerichte zuständig. Aber — wie Sie selbst schreiben — die Zuständigkeit einzelstaatlicher Gerichte ist „nicht auszuschließen”. Dabei ist neben den von Ihnen geschilderten Fällen etwa an solche Streitigkeiten zu denken, denen der grenzüberschreitende Charakter — und damit die Zuständigkeit der Bundesgerichte — gar nicht direkt anzusehen ist.