Sind wir auf dem Wege zur realen Verbandspersönlichkeit im 21. Jahrhundert? Otto v. Gierke hätte seine Freude gehabt an der Diskussion auf dem diesjährigen ZHR-Symposion in Königstein/T am 18./19.1. Die rund 100 Teilnehmer befassten sich am zweiten Tag mit „Konzernverantwortung im Wirtschaftsverwaltungsrecht” (Referenten: Bosch, Tröger, Löbbe). Im Kern geht es darum, ob an das Konzernunternehmen als solches oder an den jeweiligen Rechtsträger der Unternehmenseinheit anzuknüpfen ist. Wem das zu „rechtstheoretisch” erscheint, sei darauf hingewiesen, dass sich an dieser Weiche entscheidet, ob Millionen- oder gar Milliardensummen zu zahlen sind. Stichwort: kartellrechtliche „Bebußung”. Wer nach dem Ansatz des deutschen (Konzern-)Rechts auf den Rechtsträger fokussiert, wird die Obergesellschaft nur ausnahmsweise und konstruktiv aufwendig in die Mithaftung nehmen können; wer hingegen nach dem Ansatz des europäischen (Kartell-)Rechts den Blick auf die Unternehmensgruppe als „wirtschaftliche Einheit” richtet, kann die Gesamtverantwortung postulieren (und ‑nota bene- den Konzernumsatz als Messgröße für die Kartellbuße nehmen). Auch das übrige Wirtschaftsverwaltungsrecht setzt funktional an, also an der Durchsetzung der öffentlich-rechtlichen Ziele orientiert, und kümmert sich eher nicht die Aufgliederung in einzelne Konzerngesellschaften. Diese Befunde haben auf dem Symposion eine lebhafte Debatte ausgelöst, die letztlich in dem Klassiker mündete: Was eigentlich ist der Konzern?
Der erste Tag des Symposions war dem Gegenstand „Anlegerschutz und Finanzmarktregulierung” gewidmet (Referenten: Mülbert, Clouth, Grigoleit, Buck-Heeb). Dass man für „Anleger” ein Sonderrecht benötige, d.h. die zivilrechtlichen Anfechtungs- und Haftungsregeln nebst Strafrecht nicht ausreichten, war die nicht in Frage gestellte Prämisse. Davon ausgehend wurde referiert und diskutiert, wie die Information des Anlegers beim Produktvertrieb beschaffen sein muss, ob gar Produktverbote angebracht seien und es eine „default rule” geben solle, wonach im allgemeinen die (Banken-)Beratung auf ein „standardisiertes risikoeffizientes Portfolio” auszurichten sei. Ein „liberaler Paternalismus” sei hier durchaus angebracht. Demgegenüber erscheint das Sonderrecht für Verbraucher fast zurückhaltend (s. aber hier). Noch ist es ein Unterschied, ob jemand in ein Automobil (Konsum) oder in Auto-Aktien (Anlage) investiert. Dem Autokäufer braucht also nicht per „default rule” zu einem Mittelklassewagen geraten zu werden.
Der Nachmittag des 18.1. gehörte dem zweiten Aspekt: Finanzmarktregulierung (insb. EU-Ebene, konkrete Vorschläge zur Reform der Marktmissbrauchs- und der Transparenzrichtlinie). Referenten: Klöhn, Seibt, Veil.
Die Referate und Diskussionsberichte werden 2013 im Heft 3/4 der Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht (ZHR) erscheinen.
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