Seit dem 31.12.2015 ist die Aktienrechtsnovelle 2016 in Kraft (BGBl. v. 22.12.2015, S. 2565). Neugründungen von (börsenfernen) Aktiengesellschaften mit Inhaberaktien sind nur noch eingeschränkt möglich (zum Bestand s. § 26h EGAktG). Einzelurkunden darf es nicht mehr geben, die Sammelurkunde ist bei einer anerkannten Stelle zu hinterlegen (§ 10 I S. 1 Nr. 2 AktG). — Und wenn nicht?
Fehlt der Ausschluss der Einzelverbriefung in der Gründungssatzung, wird die Gesellschaft nicht in das Handelsregister eingetragen. Die Sammelurkunde interessiert das Registergericht allerdings nicht. Ist zwar der Ausschluss der Einzelverbriefung der Inhaberaktie bestimmt, aber die Inhaber-Sammelurkunde wird nicht ordnungsgemäß hinterlegt (oder erst gar nicht hergestellt), so gilt: § 67 ist entsprechend anzuwenden (§ 10 I 2 AktG). Die Inhaberaktionäre sind in einem Aktienregister zu verzeichnen (nach der Gesetzesbegründung: um eine Ermittlungsspur zu legen, da es ja um die Verhinderung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung gehen soll).
Sind dann die Inhaberaktionäre solange Namensaktionäre, bis die Inhaber-Sammelurkunde ordnungsgemäß hinterlegt wurde? Das wohl nicht, aber sie sind teilweise wie solche („entsprechend”) zu behandeln. Das bedeutet etwa, dass Stimmrechte aus den Aktien ruhen, solange ein Auskunftsverlangen der Gesellschaft nicht erfüllt wird (§ 67 II 2 AktG). Hingegen kann es keine vinkulierten Inhaberaktien geben, denn § 68 AktG ist nicht für entsprechend anwendbar erklärt.
Wird die Sammelurkunde bei der Gesellschaft verwahrt, so genügt dies nicht den Anforderungen des § 10 I S. 1 Nr. 2 AktG. Möglicherweise sparen sich Gesellschaften dennoch die Wertpapiersammelbank, etwa wegen der Kosten. Dann stellt sich eine aufsichtsrechtliche Frage nach der KWG-Genehmigung. Die Verwaltungspraxis der Bafin ist bei der Inhaber-Sammelurkunde offenbar weit großzügiger als bei der Namens-Sammelurkunde. Bei der erstgenannten Art kann ohne Genehmigung unentgeltlich verwahrt werden, wenn es alle Aktionäre wollen bzw. nicht mehr als 100 Aktionäre beteiligt sind. Bei der Namens-Sammelurkunde soll die Grenze hingegen bei 5 Aktionären liegen. S. http://www.namensaktie.de/portal/kleine_ag.htm. Doch obwohl die Inhaberaktionäre wie Namensaktionäre nach § 67 AktG behandelt werden, wird aus der Inhaber-Sammelurkunde keine Namens-Sammelurkunde. Es bleibt also dabei, dass die Eigenverwahrung in den angeführten (diskussionswürdigen!) Grenzen genehmigungsfrei ist.
Eine weitere Frage ist, ob der Vorstand verpflichtet ist, eine Sammelurkunde herzustellen und zu hinterlegen. Das wird man nicht pauschal annehmen können. Nach h.M. hat der Aktionär einen mitgliedschaftlichen Anspruch auf Verbriefung – und sei es in einer Sammelurkunde. Solange dieser Anspruch nicht geltend gemacht wird, kann der Vorstand es bei dem unverkörperten Zustand belassen (wie es bei kleinen Gesellschaften in der Praxis vielfach der Fall ist). Die „Sanktionierung” besteht lediglich in der überschaubaren Pflicht zur Führung eines Aktienregisters.
Was die Übertragung der einzelnen Inhaberaktien anbelangt, die im Aktienregister gebucht sind, so erfolgt diese nach §§ 398, 413 BGB. Unzutreffend ist die Gesetzesbegründung, die mit Blick auf die entsprechende Eintragung der Inhaberaktien ausführt: „Der Aufwand von Wertpapiertransaktionen wird hierdurch nicht maßgeblich erhöht. Es ist anerkannt, dass Namensaktien entsprechend Artikel 14 Absatz 2 Nummer 3 des Wechselgesetzes blankoindossiert übertragen werden können. Der Übertragungsvorgang unterscheidet sich in diesem Fall praktisch nicht von demjenigen bei Inhaberaktien. Zur Legitimation des Namensaktionärs ist zwar seine Eintragung im Aktienregister erforderlich.” Bei unverkörperten Aktien gibt es kein Wertpapier und damit kein Indossament; die materiell-rechtliche Legitimation gegenüber einem Erwerber knüpft nicht an das Aktienregister an.
Eine sehr gute Erklärung. Das wird dem ein oder anderen ganz sicher eine sehr große Hilfe sein.