Eine Notiz wert, was am 3. Februar auf der virtuellen HV (vHV) der Siemens AG mit einfacher Mehrheit votiert, aber wegen des Nichterreichens der qualifizierten Mehrheit letztlich abgelehnt wurde. Der Verein der Belegschaftsaktionäre hat eine Satzungsänderung beantragt, dass Aktionäre während der vHV Fragen stellen können. Nach der COVID19-Gesetzeslage kann der Vorstand das Fragerecht auf einen Tag vor der vHV beschränken.
Der Antrag fand eine Zustimmung von 57,83 %. Und das waren natürlich nicht nur die Stimmen des Aktionärsvereins, sondern es haben auch viele andere Aktionäre dafür gestimmt. Wie man hört, etliche institutionelle Anleger auf Anraten der professionellen Stimmrechtsberater. Die Satzungsänderung kam zwar nicht zustande, aber das Signal ist deutlich, das dieser Vorgang sendet.
Wenn Sie die AG nicht leiten, bitte Ruhig sein! Sie können Aktien besitzen aber Sie besitzen das Unternehmen nicht. Ich denke dieses ist eine klassische Fall der Prinzipal-Agent-Theorie.
Mit freundlichen Grüßen…
TOP 10 der diesjährigen Hauptversammlung der Siemens AG und das zugrunde liegende Verlangen der Belegschaftsaktionäre der Gesellschaft auf Ergänzung der Tagesordnung dürfte rein rechtlich besehen sogar mehr als nur eine Notiz wert sein — es sollte andere Aktiengesellschaften mit Blick auf ihre diesjährigen Hauptversammlungen hellhörig werden lassen.
Zwar scheiterte der Vorschlag bei der Siemens AG — wie erwähnt — aufgrund des nicht erreichten qualifizierten Mehrheitserfordernisses. In Aktiengesellschaften – und dies dürfte die ganz überwiegende Anzahl sein –, deren Satzung eine Absenkung des in § 179 Abs. 2 Satz 1 AktG angeordneten, aber nach § 179 Abs. 2 Satz 2 AktG dispositiven, qualifizierten Kapitalmehrheitserfordernisses vorsehen, hätte die vorgeschlagene Satzungsänderung indes die notwendige Beschlussmehrheit gefunden – die vorgeschlagene Satzungsänderung wäre damit also – anders als bei der Siemens AG, deren Satzung eine solche Absenkung nicht vorsieht, – beschlossen worden.
Grund genug, um doch einmal einen prüfenden Blick auf den Inhalt des betreffenden Beschlussvorschlags zu werfen, zumal aufgrund des genannten Abstimmungsergebnisses damit zu rechnen sein dürfte, dass entsprechende Ergänzungsverlangen in diesem Jahr auch anderen Gesellschaften begegnen werden. Wie bereits erwähnt, sollte der Vorstand durch eine entsprechende Satzungsklausel bei zukünftigen virtuellen Hauptversammlungen verpflichtet werden zu gewährleisten, dass Fragen der Aktionäre auch während der laufenden Hauptversammlung gestellt werden können. Vor diesem Hintergrund muss es als durchaus überraschend bezeichnet werden, dass überhaupt das Ergänzungsverlangen durch den Vorstand der Siemens AG positiv beschieden wurde. Bei der organisatorischen und inhaltlichen Ausgestaltung der Hauptversammlung handelt es sich unzweifelhaft um eine Geschäftsführungsaufgabe des Vorstands im Sinne des § 76 AktG, und zwar auch dann, wenn die Hauptversammlung auf der Grundlage von § 1 Abs. 2 COVID-19-Gesetz durchgeführt wird.
Über die Organisation der virtuellen Hauptversammlung und insbesondere die Ausgestaltung des Fragerechts der Aktionäre darf die Hauptversammlung dementsprechend – und zwar auch dann, wenn die Beschlussfassung im Gewand einer Satzungsänderung daherkommt – überhaupt nur dann beschließen, wenn der Vorstand es nach § 119 Abs. 2 AktG verlangt. Im Übrigen gilt nach § 76 AktG (vorliegend i.V.m. dem nach § 23 Abs. 5 AktG geltenden Grundsatz der Satzungsstrenge), dass der Vorstand seine Leitungsaufgaben unter eigener Verantwortung ausübt und damit an Weisungen anderer Gesellschaftsorgane nicht gebunden ist. Vor diesem Hintergrund spricht alles dafür, dass entsprechende Beschlussvorschläge auf einen aktienrechtlich unzulässigen Beschlussgegenstand gerichtet sind, der den Beschluss nach § 241 Nr. 3 AktG nichtig machen dürfte. Damit aber haben sie – bei allem Verständnis für das mit dem Antrag verfolgte Anliegen zur Stärkung der Aktionärsdemokratie – bei Lichte besehen rein rechtlich auf der Tagesordnung einer Hauptversammlung nichts verloren.
Es scheint, dass die Geschäftsbeurteilungsregel ausgesetzt wird, wenn der Vorstand die Fragen nicht beantworten muss. Auch ohne Fragerecht sind mögliche Haftungsfälle begrenzt und das Board ist mit einem unsichtbaren Schild ausgestattet. Aber wird dies auch die Verteidigungsmöglichkeiten des Vorstands im Falle eines zukünftigen Haftungsfalls einschränken?
Zur Anmerkung, der Satzungsantrag sei auf einen „aktienrechtlich unzulässigen Beschlussgegenstand” gerichtet: Man kann aber auch sagen, es geht um die Herstellung der nach § 131 AktG bestehenden Rechtslage, die durch das COVID19-Gesetz ausgesetzt wurde. Dann muss überlegt werden, ob das COVID19-Gesetz eine abschließende Regelung treffen wollte, so dass entsprechend § 23 V 2 AktG eine Satzungsregelung nicht möglich ist. Kommt man zu dem Schluss, dass angesichts der Umstände dieses Notgesetzes eine abschließende Regelung nicht vorliegt, bliebe Raum für eine ergänzende Bestimmung durch die Satzung.