Auf dem 67. Deutschen Juristentag wurde in der wirtschaftsrechtlichen Abteilung für ein Quorum votiert: Ein Prozent Grundkapital oder Aktien im Nennbetrag von 100 000 € sollen zur Erhebung der Anfechtungsklage berechtigen (bislang: eine Aktie). Die Sperrwirkung für Registereintragung soll gerichtlich eigens angeordnet werden müssen. Die Klagen sind vor dem Oberlandesgericht zu verhandeln. Ferner wurde mehrheitlich vorgeschlagen, dass für den Ausschluss von Minderheitsaktionären kein Beschluss der Hauptversammlung erforderlich sein soll. Bei Abfindungen soll auf einen durchschnittlichen Börsenkurs abgestellt werden. Mehr Satzungsautonomie (durch Streichung von § 23 V AktG) soll es nicht geben.
Hier die gesamten Beschlüsse des 67. DJT.
Nachfolgend der Schlussbericht des Abteilungsvorsitzenden (Hopt):
In der Abteilung Wirtschaftsrecht ging es um Differenzierung und Deregulierung im Aktienrecht. Die Frage lautete: „Empfehlen sich besondere Regeln für börsennotierte und für geschlossene Gesellschaften?”
1. Einem generellen Plädoyer für Differenzierung und Deregulierung vermochte sich die Mehrheit nicht anzuschließen. Sie stimmte aber für eine Erweiterung des Begriffs der börsennotierten Gesellschaft im Aktiengesetz. Auch eine generelle Einräumung von mehr Satzungsautonomie an die Aktiengesellschaften vorbehaltlich des zwingenden Rechts wurde ganz überwiegend abgelehnt. Stattdessen entschied sich die Mehrheit für die Überprüfung konkreter Problemkreise bei börsennotierten und bei nichtbörsennotierten Gesellschaften.
2. Den Bedürfnissen der börsennotierten Gesellschaften sollte der Gesetzgeber in einer Reihe von einzelnen Punkten mehr entgegenkommen. Die künftige Ausgestaltung des Rechts der börsennotierten Gesellschaft ist stärker auf den Vermögensschutz des Anlegers (statt auf den Mitgliederschutz des Aktionärs) auszurichten. Für Abfindungen und entsprechende Bewertungen sollte bei börsennotierten Gesellschaften im Rahmen der verfassungsmäßigen Grenzen grundsätzlich auf einen durchschnittlichen Börsenkurs abgestellt werden. Einschränkungen des Entsendungsrechts und der Möglichkeit der Vinkulierung von Aktien wurden abgelehnt, die Möglichkeit zum börsenkursnahen Bezugsrechtsausschluss soll hingegen erweitert werden. Für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten empfiehlt sich ein zweistufiger Instanzenzug.
3. Größere Gestaltungsfreiheit in nichtbörsennotierten Gesellschaften will die Mehrheit nicht einräumen.
4. Der Wechsel von der börsennotierten Gesellschaft zur nicht börsennotierten Gesellschaft (Delisting) sollte von der Hauptversammlung beschlossen werden und nur gegen Abfindung möglich sein. Ein Hauptversammlungsbeschluss sollte auch für den Wechsel von der nichtbörsennotierten Gesellschaft zur börsennotierten Gesellschaft (Börsengang) notwendig sein.
5. Für alle Gesellschaften, börsennotierte und nichtbörsennotierte, ist das Problem der räuberischen Aktionäre gravierend und dringlich. Hierzu wurden verschiedene Schritte empfohlen.
Der erste, begrüßenswerte Schritt zur Einschränkung der Möglichkeiten der Anfechtungsklage könnte – noch in dieser Legislaturperiode – mit dem laufenden Gesetzgebungsverfahren (ARUG) gemacht werden. Die jetzige Fassung reicht aber nach der ganz überwiegenden Mehrheit nicht aus. Dem Gesetzgeber empfohlen werden vielmehr: zunächst ein Quorum, das heißt bei börsennotierten Gesellschaften sollte nur eine qualifizierte Aktionärsminderheit klageberechtigt sein (nicht unter einem Prozent des Nennkapitals bzw. 100.000 Euro).
Sodann sollte aber das Beschlussmängelrecht im Grundsätzlichen reformiert werden. Anfechtungsklagen sollten eine Registereintragung nur blockieren, wenn ein Gericht die Registersperre anordnet (umgekehrtes Freigabeverfahren). Besser wäre es noch, das Freigabeverfahren durch eine beschleunigte Eintragungsfreigabe im Hauptsacheverfahren zu ersetzten (Zwischenverfahren).
Nur gravierende Mängel sollten zur Nichtigkeitsfolge führen. Für Beschlussmängelklagen sollte das Oberlandesgericht als Eingangsinstanz vorgesehen werden.
6. Zu weiteren Reformen gab es unterschiedliche Meinungen.
Das Recht, einige wenige Minderheitsaktionäre auszuschließen (squeeze-out), sollte sowohl im Aktien- als auch im Übernahmerecht reformiert werden.
Eine Wahlfreiheit zwischen dem dualistischen (Aufsichtsrats-) und dem monistischen (Verwaltungsrats-) System – wie in vielen unserer Nachbarstaaten – hielt die Mehrheit dagegen für nicht notwendig.
Sie hielt auch eine Fortentwicklung des Deutschen Corporate Governance Kodex mit Blick auf nichtbörsennotierte, aber kapitalmarktorientierte Gesellschaften nicht für angezeigt.
Nahezu einstimmig wird dem Gesetzgeber dagegen eine bessere Abstimmung des Aktien- und des Kapitalmarktrechts aufeinander empfohlen.
Danke Herr Noack,
Sie waren wie immer am schnellsten und damit die beste Informationsquelle über aktuelle Entwicklungen im Gesellschaftsrecht.
Dem schließe ich mich an 🙂