Die Aufmerksamkeit gilt derzeit den Hauptversammlungen der börsennotierten AGs, die wegen der Corona-Krise nicht wie geplant stattfinden können. Doch was ist mit den vielen GmbH, bei denen die Gesellschafter „in den Angelegenheiten der Gesellschaft … durch Beschlussfassung“ entscheiden, und zwar so: „Die Beschlüsse der Gesellschafter werden in Versammlungen gefasst“ (§§ 47 I, 48 I GmbHG). Als Versammlung wird überwiegend das Treffen physisch präsenter Gesellschafter angesehen. Die meisten GmbH haben nur wenige Gesellschafter, meistens zwischen 3 und 5. Daher ist es auch in Corona-Zeiten kein großes Problem, sich mit gebührendem Abstand persönlich in einem Raum zu treffen. Doch es gibt auch größere Gesellschafterkreise und/oder solche, die über den Erdball verstreut sind. Wegen der Reisebeschränkungen, Ausgangssperren und Grenzkontrollen kann eine Präsenzzusammenkunft bei der GmbH unmöglich sein.
Hier bietet das GmbH-Gesetz eine Alternative: den Umlaufbeschluss. Im zweiten Absatz des § 48 GmbHG heißt es: „Der Abhaltung einer Versammlung bedarf es nicht, wenn sämtliche Gesellschafter in Textform mit der zu treffenden Bestimmung oder mit der schriftlichen Abgabe der Stimmen sich einverstanden erklären.“ Hier lauern etliche Fallstricke, etwa die Frage, ob die „schriftliche“ Stimmabgabe auch eine elektronische sein kann (mE zu bejahen). Vor allem kann es an dem Einverständnis aller Gesellschafter fehlen, so dass ein einzelner die Umlaufentscheidung blockieren kann. Dennoch ist die Option reizvoll. So wäre es möglich, eine Telefon- oder Videokonferenz durchzuführen und die Gesellschafter am Ende um ihre Stimme in Textform zu bitten, etwa per E‑Mail oder Messenger – allein die mündliche Erklärung genügt nicht. Mit der (bejahenden oder verneinenden) Stimmabgabe wäre dann zugleich das Einverständnis mit dem Verfahren erteilt (str.), jedenfalls dann, wenn die Gesellschafter darauf hingewiesen wurden.
Eine weitere, im Gesetz nicht angesprochene Möglichkeit besteht darin, die Präsenzversammlung (zur Not dort mit nur einem Gesellschafter) mit der audiovisuellen Zuschaltung ortsferner Gesellschafter zu verbinden. Wer als Gesellschafter in dieser Weise mitwirkt, der gibt seine Stimme in der Versammlung ab. Diese Gestaltung liegt ganz nahe bei der zuvor erörterten, nur juristische Feinschmecker bemerken den Unterschied.
Telefonische oder mündliche Beschlussfassung „auf Raten“ (etwa jeweils durch Einholung der Zustimmung einzelner, zB Geschäftsführer ruft jeden Gesellschafter an), ferner ein kombiniertes Abstimmungsverfahren (zT in Versammlung, zT textförmlich) sind nach herrschender Meinung ohne Satzungsgrundlage nicht zulässig. Diese strenge Haltung kann sich zwar auf die Warn- und Schutzfunktion der formalen Beschlusserfordernisse stützen. Allerdings gerät sie in Konflikt mit der Lebenswirklichkeit.
Lit.hinweis: Wertenbruch, Audiovisuelle Zuschaltung verhinderter Gesellschafter in der GmbH-Gesellschafterversammlung, GmbHR 2019, 149.
Weiters ist bei der Beurteilung des Ausma?es der Treuepflicht das jeweilige Stadium einer GmbH zu berucksichtigen: Im Stadium der Liquidation kommt es etwa zu einer Abschwachung, da dort die Befriedigung der Gesellschaftsglaubiger und die Verteilung des restlichen Gesellschaftsvermogens im Vordergrund steht.