Kapitalgesellschaften, die „Kleinstbetriebe” sind, können künftig von der Offenlegung ihrer Jahresabschlüsse im elektronischen Bundesanzeiger (s. § 325 HGB) ausgenommen werden. Zur neuen Kategorie der Kleinstbetriebe gehören Unternehmen, die mindestens zwei der drei Schwellenwerte nicht überschreiten: 350.000 Euro Bilanzsumme, 700.000 Euro Jahresumsatz, zehn Mitarbeiter (Art. 1a I RL); in Deutschland sollen das über 1 Mio. sein. Die Änderungs-Richtlinie 2012/6/EU vom 14.3.2012 eröffnet die Option für die mitgliedstaatliche Gesetzgebung zur Befreiung von der regulären Offenlegung (gem. Richtlinie 78/660/EWG). Die Bundesregierung wird davon voraussichtlich Gebrauch machen; jedenfalls hat das BMJ die neue Richtlinie sehr gelobt und Berlin als treibende Kraft für die Ausnahmeregelung bezeichnet.
Die Jedermann-Publizität der Rechnungslegung („gläserne Bilanz”) ist seit jeher ein Stein des Anstoßes namentlich für kleine (börsenferne) GmbH und AG. Nach der Gesetzesverschärfung durch das EHUG 2007 hat der ordnungsgeldbewehrte Veröffentlichungsdruck auf diese Unternehmensträger stark zugenommen (§ 335 HGB), aber auch Gegendruck erzeugt. Gefordert wurde, nicht börsennotierte Gesellschaften von der Publizität ganz auszunehmen. Dieser Ansatz konnte sich in der EU nicht durchsetzen, aber immerhin die jetzt vorliegende Erleichterung für „Kleinstbetriebe” (so der offizielle Begriff) erreichen.
Die entscheidende Frage lautet jetzt: Gibt es überhaupt keine Publizität des Jahresabschlusses von Kleinstbetrieben mehr? Die Richtlinie verlangt (Art. 1a II e), dass der Abschluss bei einer von dem betreffenden Mitgliedstaat benannten zuständigen Behörde ordnungsgemäß hinterlegt wird. „Handelt es sich bei der zuständigen Behörde nicht um das zentrale Register oder das Handels- oder Gesellschaftsregister nach Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 2009/101/EG, so hat die zuständige Behörde die bei ihr hinterlegten Informationen dem Register zu übermitteln.” Danach landetenn die Abschlüsse letztlich doch wieder im Unternehmensregister (§ 8 II Nr. 4 HGB; „das zentrale Register”) oder beim Handelsregister der Gesellschaft (wie es vor EHUG 2007 war). Für die Publizität beider Register gilt § 9 I 1 HGB: „Die Einsichtnahme in das Handelsregister sowie in die zum Handelsregister eingereichten Dokumente ist jedem zu Informationszwecken gestattet.”
Damit wäre aus publizitätsscheuer Sicht wenig gewonnen. Die freie Auswertung des elektronischen Bundesanzeigers entfiele, aber der (gering kostenpflichtige) Internet-Abruf aus Unternehmens- bzw. Handelsregister bliebe. Ein völliger Ausschluss der Abrufbarkeit ist nicht möglich. DStatt Bundesanzeiger bzw. Unternehmensregister (§ 8 II Nr. 4 HGB) würde eben via Internet das Handelsregister eingesehen. Also müsste der Gesetzgeber eine Einschränkung dieser freien Einsicht gerade für die Rechnungslegung der Kleinstbetriebe einführen. Schon diese Folgerungen zeigen, wie verwirrend sich die Lage gestalten dürfte. Und das ist nicht alles. Denn der Erwägungsgrund 9 der RL enthält die interessante Formulierung, dass „auf Antrag eine Abschrift erhältlich sein sollte.” Die Hinterlegung des Abschlusses wird also nicht reichen, obwohl der Normtext auf den ersten Blick dafür spricht. Gedacht ist daran, dass die Abschlüsse „bei Nachfrage an Dritte zur Information herausgegeben werden” (BMJ, s.o.). Das kann man wohl sehr restriktiv handhaben (etwa ein berechtigtes Interesse wie bei der Grundbucheinsicht verlangen; die Schikane einer teuren schriftlichen Auskunft einführen) – aber grundsätzlich werden (vereinfachte) Bilanz und GuV interessierten Dritten weiter, wenn auch mühsamer, zugänglich sein.
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