Der Bundestag hat auf Vorschlag des Rechtsausschusses eine Regelung zur Nutzungsüberlassung im MoMiG getroffen. § 135 Abs. 3 InsO wird lauten:
„Wurde dem Schuldner von einem Gesellschafter ein Gegenstand zum Gebrauch oder zur Ausübung überlassen, so kann der Aussonderungsanspruch während der Dauer des Insolvenzverfahrens nicht geltend gemacht werden, wenn der Gegenstand für die Fortführung des Unternehmens des Schuldners von erheblicher Bedeutung ist. Für den Gebrauch oder die Ausübung des Gegenstandes gebührt dem Gesellschafter ein Ausgleich; bei der Berechnung ist der Durchschnitt der im letzten Jahr vor Verfahrenseröffnung geleisteten Vergütung in Ansatz zu bringen,…”
Mit der Eigenkapital-Nutzungsüberlassung des bisherigen Rechts (genauer: der ständigen Rechtsprechung) hat diese Regelung nichts mehr zu tun. Mindestens zwei neue Fragen stellen sich bei erster Lektüre:
- Wie verhält sich die fortgesetzte entgeltliche Nutzung durch den Insolvenzverwalter zu den besonderen Regeln über die Abwicklung gegenseitiger Verträge in den §§ 103, 108 ff InsO?
- Kann ein vor der Insolvenz an den Gesellschafter zurückgegebener Gegenstand wieder zu Nutzungszwecken zurückverlangt werden?
Mit diesen Fragen beschäftigt sich ein Aufsatz von K.Schmidt (DB 2008, 1727 ff). Er kommt u.a. zu folgenden Ergebnissen:
- § 135 Abs. 3 InsO n. F. enthält keine Anfechtungsregel, sondern eine die § 103, § 108 ff. InsO modifizierende Regel über die Abwicklung gegenseitiger Verträge. Die Bestimmung gestattet es dem Insolvenzverwalter, den Nutzungsgegenstand entgeltlich weiterzunutzen, und zwar auch nachdem er Nichterfüllung gewählt (§ 103 InsO) bzw. das Nutzungsverhältnis gekündigt hat (§ 109 InsO). § 135 Abs. 3 InsO n. F. setzt in diesen Fällen ein gesetzliches entgeltliches Nutzungsverhältnis an die Stelle des aufgelösten vertraglichen Schuldverhältnisses. Wird das Rechtsverhältnis fortgesetzt, so ist das vereinbarte Entgelt als Masseschuld zu entrichten. Wird nur die Nutzung fortgesetzt, so begrenzt § 135 Abs. 3 InsO diese Masseschuld.
- Ungeregelt geblieben ist die Beendigung des Nutzungsverhältnisses vor der Insolvenzverfahrenseröffnung. Will der Verwalter das Nutzungsverhältnis in diesen Fällen fortsetzen, so ist an eine Anfechtung der Vertragsbeendigung nach § 131 InsO oder an eine praeter-legem-Erweiterung des § 135 Abs. 3 InsO n. F. zu denken.
- § 135 Abs. 3 InsO n. F. gibt dem Insolvenzverwalter ein außerordentliches Optionsrecht und setzt den Gesellschafter einer Situation der Rechtsunsicherheit aus. Der Insolvenzverwalter ist sowohl hinsichtlich der Wahrnehmung als auch der Beendigung dieses Rechts offenbarungspflichtig.
- Die Neuregelung wird auch die Strategien von Gesellschaftern und Geschäftsführern in der Krise verändern. Die laufende Entgeltzahlung ist nicht mehr potentiell rechtswidrig, sondern rechtmäßig und vor dem Hintergrund eines möglichen Insolvenzverfahrens sogar anzuraten, weil Nicht-Zahlung den gesetzlichen Nutzungsausgleich verringert.
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