Obligationär oder Aktionär einer Gesellschaft: das ist theoretisch ein großer, in der Praxis jedenfalls für den Kleinbeteiligten kaum ein Unterschied. Das Aktienrecht ist eifrig reformiert worden, während das entsprechende Anleihenrecht auf dem Stand des vorletzten Jahrhunderts verharrt (Gesetz betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen vom 4. Dezember 1899). Das soll sich ändern: Ein BMJ-Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Anleihen liegt seit Mai 2008 vor. Dessen allgemeine Begründung führt aus: „Die Gläubigerversammlung soll in die Lage versetzt werden, auf wohl informierter Grundlage möglichst rasch und ohne unnötigen organisatorischen Aufwand Entscheidungen von unter Umständen großer finanzieller Tragweite treffen zu können … Das Verfahren der Gläubigerabstimmung wird grundlegend neu geregelt und an das moderne und bewährte Recht der Hauptversammlung bei der Aktiengesellschaft angelehnt.”
Neu im Vergleich zum „modernen und bewährten Recht der Hauptversammlung” ist die Abstimmung ohne Versammlung: „In der Aufforderung zur Stimmabgabe ist der Zeitraum anzugeben, innerhalb dessen die ordnungsgemäß abgegebenen Stimmen gezählt werden. Er beträgt mindestens 72 Stunden. Während des Abstimmungszeitraums können die Gläubiger ihre Stimme gegenüber dem Abstimmungsleiter in Textform abgeben. In den Anleihebedingungen können auch andere Formen der Stimmabgabe vorgesehen werden.” (§ 17 Abs. 3 RefE SchVG).
Die (individuelle) Anfechtung von Beschlüssen soll weithin entsprechend den §§ 243 ff AktG geregelt werden (§ 19 RefE SchVG), und zwar mit Vollzugssperre und Freigabeverfahren. Dagegen macht die Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts (22. August 2008) berechtigte Bedenken geltend:
„Das Anfechtungsrecht für Beschlüsse der Gläubigerversammlung ist strikt abzulehnen. Das Anfechtungsrecht im Schuldverschreibungsrecht entspricht– wie das Anfechtungsrecht im Aktiengesetz – nicht internationalen Standards. Es führt, da hier ausdrücklich eine Vollzugssperre eingeführt wird, zur Blockierung von Beschlüssen der Gläubigerversammlung. Da nichts dafür spricht, dass die gerichtlichen Verfahren bei Beschlüssen der Gläubigerversammlung schneller ablaufen werden als bei Hauptversammlungsbeschlüssen, werden Beschlüsse genauso bis zu Jahren blockiert werden und wird sich hier genauso ein Klagegewerbe etablieren wie bei Aktiengesellschaften.Es ist zu bedenken, dass die Beschlüsse der Gläubigerversammlung typischerweise in Krisensituationen gefasst werden, bei denen es auf die Schnelligkeit einer Maßnahme entscheidend ankommen kann. Die Bemühungen um eine Erweiterung der Beschlussfassung durch den Ref‑E werden deshalb durch die Anfechtung mit Vollzugssperre konterkariert.”
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