Eine Adresse an Ulrich Seibert (von Tim Florstedt, NZG 2019, 903)
” (…) Ulrich Seibert wurde am 8. August 1954 in Karlsruhe als Sohn des BGH-Richters Claus Seibert und der Malerin Edith Seibert geboren. Er ist aufgewachsen mit dem Terpentingeruch aus dem Atelier seiner Mutter und mit einem Vater, der ständig geistvolle Glossen in juristischen Fachzeitschriften veröffentlichte. Nach Abitur und Wehrdienst folgte er dem väterlichen Vorbild und studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Tübingen, Göttingen und Freiburg. Im Jahr 1979 legte er das erste Staatsexamen in Baden-Württemberg und 1982 das zweite in Hamburg ab und wurde noch im selben Jahr mit seiner zivilrechtlichen Arbeit zur „Erfüllung durch finale Leistungsbewirkung“ promoviert. (…).
Durch Ulrich Seibert begann Mitte der 1990er Jahre eine neue Entwicklungsphase des Gesellschaftsrechts, die von Wolfgang Zöllner als „Aktienrechtsreform in Permanenz“ bezeichnet wurde: eine kontinuierliche „Reform in kleinen Schritten“ durch Anpassungen des Rechts an eine sich zunehmend schneller verändernde Lebenswelt. Von der Fülle der Gesetzgebungsverfahren, die er betreut hat, sind hier exemplarisch das Gesetz über die kleine Aktiengesellschaft, das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG), das Gesetz zur Unternehmensintegrität (UMAG) und zur Modernisierung des GmbH-Rechts (MoMiG) sowie die Gesetze zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG I und II) zu nennen.
Ich habe das Glück gehabt, zweimal – bei der Aktienrechtsreform von 2009 und von 2019 – mit ihm arbeiten und ihn bei zahlreichen Treffen näher kennen lernen zu dürfen. In den unermüdlichen Anstrengungen dieses großen Juristen zeigt sich ein intellektueller Antrieb, „gute“ (d. h. vor allem:wohl austariert wirkende) Gesetze zu schaffen. Hinsichtlich „seines“ verfeinerten, zugegeben hochpragmatischen Beschlussmängelrechts von 2009 setzt sich heute beispielsweise mehr und mehrdie Einsicht durch, dass hier noch dogmatisch aufgehübschte Kolorierungen, kaum aber noch fühlbare Verbesserungen möglich bleiben. Die Erhaltung des Vertragskonzernrechts in der aktuellen Reform, das im Richtliniendurcheinander der hurtigen EU-Gesetzgebung unterzugehen drohte, beruht allein auf seiner mutigen Entscheidung, die Vorgaben des Unionsrechts nicht gedankenlos und pedantisch umzusetzen. Schon diese einfachen Hinweise zeigen, wie fremd ihm stubenhockerischer Dogmatismus ist; er holt die Dinge lieber von ihren juristisch-intellektuellen Höhen herunter, geht aber bei der Anwendungsfunktionalität „seiner“ Gesetze mit kartesianischer Präzision vor. (…)
Neben seiner Arbeit für das Bundesjustizministerium ist Ulrich Seibert ein gefragter Redner auf Tagungen und als Honorarprofessor an der Universität Düsseldorf ist er ein begeisterter Lehrer. Seine Publikationsliste umfasst mehrere Bücher und mehr als 200 Beiträge. Man kann dabei – bei einer solchen juristischen und künstlerischen Vorprägung kaum überraschend – neben dem juristischen Pragmatismus in Perfektion auch seinen feinen Kunstsinn ohne größere Mühe aus seinem Lebenswerk herausfiltern. Neben anspruchsvollen Werken zum Gesellschaftsrecht stechen historische Miniaturen und humoristische sowie weltanschauliche Marginalien heraus. Privat ist er weltmännisch und humorvoll, ein kluger Investor und ein leidenschaftlicher Buch- und Kunstsammler. (…).”
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