Warum werden Gesellschafterdarlehen diskriminiert? (update)

Gerät die Gesell­schaft in die Insol­venz, wer­den ange­mel­dete For­de­run­gen mit der­sel­ben Quote bedient. Wur­den die Beträge vor der Insol­venz gezahlt, hat der Gläu­bi­ger Glück gehabt (sofern nicht Anfech­tun­gen gem. §§ 129 ff InsO die Freude trü­ben, aber diese Tat­be­stände wol­len erst ein­mal fest­ge­stellt sein). Wer­den alle Gläu­bi­ger also gleich behan­delt (par con­di­cio credi­torum)? Nein, seit Jahr­zehn­ten wer­den hier Gläu­bi­ger dis­kri­mi­niert (= unter­schied­lich behan­delt), näm­lich dann, wenn sie die Eigen­schaft haben, Gesell­schaf­ter zu sein (mit >10% Betei­li­gung). Das war so der Sache nach im alten” GmbH-Recht (§ 32a I GmbHG: Nach­rang in der Insol­venz) und ist mit dem MoMiG (2008) nicht anders 39 I Nr. 5 InsO: Nach­rang in der Insol­venz). Die Reform hat mit Blick auf die Rück­zah­lung vor der Insol­venz ledig­lich (aber immer­hin) auf das unsi­chere Kri­te­rium Ver­hal­ten ordent­li­cher Kauf­leute, Krise der Gesell­schaft” ver­zich­tet und pau­scha­liert statt­des­sen: wem als (>10%)Gesellschafter im letz­ten Jahr vor dem Eröff­nungs­an­trag sein Dar­le­hen aus­be­zahlt wurde, sieht sich immer der Anfech­tung aus­ge­setzt 135 InsO). – Eine Revo­lu­tion wäre es gewe­sen, wenn der Gesetz­ge­ber diese Ver­schie­den­be­hand­lung von Dar­le­hen auf­ge­ge­ben, also Dritt- und Gesell­schaf­ter­dar­le­hen den­sel­ben Rechts­re­geln unter­wor­fen hätte. So lei­tete Ulrich Huber sei­nen Bei­trag über Gesell­schaf­ter­dar­le­hen im GmbH- und Insol­venz­recht nach der MoMiG-Reform” ein. Diese Revo­lu­tion hat es nicht gege­ben, son­dern die vor­ste­hend skiz­zierte Reform. Es bleibt zu rät­seln, was der Grund für die Dis­kri­mi­nie­rung ist. Resul­tiert aus der Nicht­haf­tung der Gesell­schaf­ter bei Ver­wen­dung einer Kapi­tal­ge­sell­schaft, dass die dadurch Begüns­tig­ten in der Insol­venz zurück­ste­hen müs­sen? Oder ist es nach wie vor die Finan­zie­rungs­ent­schei­dung”, deren Fol­gen die sol­cher­ma­ßen agie­ren­den Gesell­schaf­ter eher als die übri­gen Gläu­bi­ger zu tra­gen haben? Zu letz­te­rem ten­dierte Kars­ten Schmidt in sei­nem Refe­rat. Die Klä­rung des Gel­tungs­grun­des könnte Aus­wir­kun­gen für die Ein­be­zie­hung drit­ter Per­so­nen, die dem Gesell­schaf­ter nahe­ste­hen, in das dar­ge­legte Rechts­re­gime haben. Kri­tisch beäugt wird von man­chen auch die Ent­schei­dung Pau­schale statt Krise” (also: ein Jahr Damo­kles­schwert statt jewei­lige Situa­tion der Gesell­schaft), da exo­gene Schocks (Vul­kan­aus­bruch …) inso­weit keine Rolle spie­len (oder doch? S. Pentz in FS Hüffer, 2009, S. 747 ff). Huber zeigte, dass die Neu­re­ge­lung den Radbruch‚schen Ele­men­ten der Rechts­idee (Zweck­mä­ßig­keit, Rechts­si­cher­heit, Gerech­tig­keit) ent­spricht. – Die Refe­rate wur­den am 23.4.2010 auf der Gedächt­nis­ver­an­stal­tung für Mar­tin Win­ter in Mann­heim gehal­ten, einem Ein­la­dungs­sym­po­sion, an dem ca. 100 Per­so­nen aus Anwalt­schaft und Wis­sen­schaft, Unter­neh­men und dem BGH teilnahmen. 

Zum Gan­zen Ulrich Sei­bert:

Die Legi­ti­ma­tion der Neu­kon­zep­tion — Dass es das Eigen­ka­pi­tal­er­satz­recht schon lange gibt und schon viel Papier dazu beschrie­ben wurde, ver­leiht ihm noch keine über­zeu­gende Recht­fer­ti­gung. Die Begrün­dung der insol­venz­recht­li­chen Anfech­tung einer Rück­zah­lung im Jahr vor der Insol­venz­an­trag­stel­lung ist unter Gerech­tig­keits­aspek­ten unpro­ble­ma­tisch. Sie ist gerecht­fer­tigt durch die mög­li­che Aus­nut­zung des Infor­ma­ti­ons­vor­sprungs des Gesell­schaf­ters, durch den Insi­der­vor­teil. Pro­ble­ma­ti­sie­ren kann man höchs­tens den Rang­rück­tritt. Die Frage der Legi­ti­ma­tion der insol­venz­recht­li­chen Sub­or­di­na­tion sollte von der Wis­sen­schaft auf­ge­ar­bei­tet wer­den , der Gesetz­ge­ber braucht hier nicht als Kom­men­ta­tor zu agie­ren: Legem enim bre­vem esse opor­tet … iubeat, non dis­pu­tet. Haas und Oechs­ler z.B. erklä­ren, der Nach­rang sei Kon­se­quenz der durch die Dar­le­hens­ge­wäh­rung sei­tens des Gesell­schaf­ters ver­ur­sach­ten Insol­venz­ver­schlep­pung. Haas und ihm fol­gend Hirte ver­wei­sen fer­ner auf den rechts­ver­glei­chen­den Kon­sens zur Sub­or­di­na­tion. Huber begrün­det sie mit dem Pri­vi­leg der all­sei­ti­gen Haf­tungs­be­schrän­kung. Mül­bert fügt an, die Risi­ko­zu­wei­sung an den Gesell­schaf­ter könne man damit erklä­ren, dass der er auf­grund sei­ner frü­he­ren Finan­zie­rungs­leis­tung eben auch eher in der Lage sei, von exo­ge­nen Ereig­nis­sen zu pro­fi­tie­ren, die in die­sem Jah­res­zeit­raum den Wert sei­ner Betei­li­gung erhö­hen . Ein guter Gedanke! Man sollte nicht ver­ges­sen: Der Gesell­schaf­ter lever­aged mit dem Fremd­ka­pi­tal sei­nen Eigen­ka­pi­tal­ein­satz und erhöht damit — falls es gut geht — seine Ren­di­te­chance auf das ein­ge­setzte Kapi­tal; falls es schlecht geht, hat er ein erhöh­tes Ausfallrisiko.” 

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