Die im Dezember 2005 errichtete Air Berlin p.l.c. ist die zweitgrößte Fluggesellschaft in Deutschland; das Vorgängerunternehmen wurde 1978 gegründet. Air Berlin beschäftigt mehr als 2.650 Mitarbeiter. Der Börsengang könnte bis zu 800 Mio. Euro einbringen (FAZ v. 21.4.2006). Wenn am 5. Mai 2006 der Handel im amtlichen Markt der Franfurter Wertpapierbörse beginnt, so gehen dort nicht Aktien (§ 1 Abs. 2 AktG) der Air Berlin um, sondern „shares” werden gehandelt — kein Fall von Börsianerdenglisch, der die Gesellschaft für deutsche Sprache auf den Plan rufen müsste. Vielmehr sollte sich die gesellschaftsrechtliche Szene für den Vorgang interessieren. Nachdem im Mittelstand die britische Private Company Limited by Shares der deutschen GmbH Konkurrenz macht, entdeckt erstmals ein deutsches börsenreifes Unternehmen die Public Company Limited by Shares.
Vorstand Hunold in der heutigen FAS:
„FRAGE: Air Berlin ist keine Aktiengesellschaft, sondern eine Gesellschaft britischen Rechts. Was bringt die Rechtsform der Plc?
ANTWORT: Wir haben keinen Betriebsrat, keine Gewerkschaft, keine Mitbestimmung. So können wir flexibler und ehrlicher miteinander arbeiten.”
Die betriebliche Mitbestimmung nach dem BetrVG (Betriebsrat!) knüpft nicht an die Rechtsform an, sie könnte auch bei in Deutschland ansässigen Betrieben eines ausländischen Rechtsträgers eingeführt werden. Die unternehmerische Mitbestimmung nach dem MitbestG (Aufsichtsrat!) greift bei einer PLC in der Tat nicht ein. Daher könnte die Umwandlung in eine solche Rechtsform auch für andere Großunternehmen attraktiv werden, die als Aktiengesellschaft deutschen Rechts bislang zwingend dem Mitbestimmungsregime unterliegen. Die (wirtschaftlich gesehen) deutsche Fluggesellschaft Air Berlin in englischer Rechsform am hiesigen Kapitalmarkt als Vorflieger!
Eine weitere spannende Frage ist, ob das unterschiedliche Gesellschaftsrecht die Anleger zögern lässt — oder ob ihnen das gerade egal ist. So ist zB bei einem General Meeting der PLC kein individuelles (per Auskunfts– und Anfechtungsklage bewehrtes) Fragerecht der shareholder gesetzlich vorgesehen (wohl aber richterrechtlich), während gerade darum in Deutschland ein dichtes Normengewebe gesponnen ist (§§ 131, 132, 243 AktG).
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