Zu ihrem Richtlinienvorschlag über die Ausübung der Stimmrechte der Aktionäre (dazu schon früher) hat die Kommission nicht nur eine mehr oder weniger ausführliche Begründung (mit allgemeinem und besonderem Teil), sondern auch eine „Folgenabschätzung” (Impact Study) veröffentlicht. Für hauptversammlungsinteressierte Juristen ist diese Studie eine wahre Fundgrube an Informationen, die die Begründung in vielen wesentlichen Punkten ergänzt.
Neben den ökonomischen Erwägungen, welche die Komission zur Wahl der konkreten Ausgestaltung im Einzelnen führten enthält das Dokument auch (noch einmal) eine Zusammenfassung der Ergebnisse der vorhergehenden Konsultationen aber auch interessante Statistiken und rechtsvergleichende Übersichten.
So erfährt der Leser, dass nur 17 % der Aktien börsennotierter deutscher Gesellschaften von ausländischen Aktionären gehalten werden — während in der Slovakei sogar 86 % der Aktien Bürgern anderer Staaten gehören. Laut dieser Statistik steht Deutschland insoweit neben Island (7 %) und Zypern (10 %) auf den hinteren Rängen. Interessant auch, dass in vielen Mitgliedstaaten bei börsennotierten Gesellschaften Inhaberaktien generell ausgeschlossen sind (insb. in den skandinavischen Staaten, sowie in Estland und Littauen), die Ladungsfristen zwischen 14 Tagen (Österreich) und einem Monat (Deutschland) divergieren und einige Staaten nur eine individuelle Einladung der Aktionäre verlangen (Großbritannien, Malta, Irland, Island) oder gar gänzlich satzungsdispositiv (Finnland). Viele Länder haben auch eine Mindestpräsenz (Estland und Ungarn verlangen etwa mindestens 50 % Präsenz, das tschechische Recht 30 % des Kapitals, 20 % in Griechenland).
Ein Fragerecht kennen alle Mitgliedstaaten, ein Gegenantragsrecht (und das in diesem Zusammenhang mitbehandelte Recht auf Ergänzung der Tagesordnung) wird in den meisten Mitgliedstaaten an ein Mindestquorum geknüpft. Eine Briefwahl lassen nur Belgien, Finnland, Frankreich, Italien, Littauen, Portugal, Spanien und Großbritannien zu (teilweise nur, soweit die Satzung dies zulässt) — alle anderen Staaten verbieten dies. Ein „electronic voting” ist in vielen Fällen nicht geregelt und daher umstritten, spannend muten hier die Ausführungen zum dänischen Recht an („possible in case of entirely electronic GM if allowed by the articles of association (two thirds majority combined with a blocking minority of 25 per cent) and in case of partially electronic GM if allowed by the by the supervisory board unless the articles of association states otherwise”). Jeder Mitgliedstaat kennt Stimmrechtsvollmachten in irgendeiner Form — allerdings divergieren die Anforderungen insoweit stark. In vielen Staaten dominiert insofern das Schriftformerfordernis, teilweise wird nur eine Bevollmächtigung anderer Aktionäre zugelassen, zum Teil muss die Vollmacht erheblich vor der Versammlung angezeigt werden.
Aus deutscher Sicht eher seltsam mutet eine Pflicht zur Offenlegung von für fremde Rechnung gehaltenen Aktien an (etwa in Finnland, Frankreich, Griechenland, Ungarn, der Slowakischen Republik, Spanien, Schweden, Slovenien, Schweden und Großbritannien). Die Folgefrage, ob bei für fremde Rechnung gehaltenen Aktien der Intermediär verpflichtet ist, den „Hintermann” das Stimmrecht ausüben zu lassen wird ebenfalls nicht einheitlich beantwortet — in einigen Staaten ist nur der eingetragene Aktionär berechtigt abzustimmen, in anderen hingegen nur der „tatsächlich Berechtigte”, der allerdings teilweise auch den eingetragenen Aktionär bevollmächtigen kann. Teilweise werden insoweit ausdrückliche Weisungen verlangt. Die Ergebnisse der Hauptversammlung werden den (abwesenden) Aktionären nur in etwa der Hälfte der Mitgliedstaaten mitgeteilt, auch eine Veröffentlichung in einem Register oder Publikationsmedium ist nicht die Regel. Einige Staaten sehen auch eine Pflicht des Stimmrechtsvertreters vor, Rechenschaft über die Ausübung der Vollmacht abzulegen.
Ab Seite 229 bringt die Kommission dann visuell sehr hübsch in Tabellenform aufbereitet eine Kosten/Nutzen/Risiken-Aufstellung zu den einzelnen Regelungsgegenständen und (mit + / — / =) eine Liste der Folgen für die Gesellschaften, die institutionellen Anleger, die Kleinanleger, die Arbeitnehmer und die Mitgliedstaaten.
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